Pusteblume
zwischen ihnen stattgefunden hatte, genauestens im Kopf hatte.
Plötzlich fing sie an, von Milo, JaneAnn und Timothy zu reden und deren Besuch, ihrem ersten, in London. Und wie Milo und Liv sich ineinander verliebt hatten, obwohl für Liv Stil ein wichtiges Lebensprinzip war und Milo bis vor kurzem nie aus seinen abgetragenen Latzhosen herausgekommen war.
»Latzhosen!« rief Joe. Vielleicht war der Typ, mit dem er Katherine damals gesehen hatte, schlicht und einfach Fintans Bruder.
»Ja, genau, Latzhosen«, sagte Katherine verblüfft. »Man trägt sie doch nicht nur in Irland, oder? Es sind blaue Arbeitshosen mit einem Latz vorne –«
»Ich weiß«, sagte Joe und grinste. »Und was ist dieser Milo von Beruf?«
»Er ist Bauer.« Was für eine seltsame Frage.
»Er spielt nicht in einer Band oder so?«
»Milo? Machst du Witze?«
Um elf Uhr klingelte das Telefon. Katherine war überrascht, Tara am Apparat zu haben.
»Wo bist du?«
»Zu Hause. Ich konnte plötzlich nicht«, sagte Tara unglücklich. »Es tut mir leid, daß ich euch euren Abend kaputtgemacht habe.«
»Das hast du gar nicht. Wir hatten einen sehr schönen Abend. Mach dir keine Sorgen.«
»Vielleicht habe ich morgen den Nerv, es zu tun.«
»Genau.«
Katherine legte den Hörer auf. »Sie kommt nicht. Alle zum Einsatz auf der Badematte!«
63
A m Dienstagabend um sieben Uhr stand Tara inmitten von Kisten und Taschen im Wohnzimmer. Sie war früh aus dem Büro gekommen. Ihr Plan war, alles gepackt zu haben, damit sie ihre Ansprache halten und dann gehen konnte.
Am Abend zuvor war sie vor der letzten Hürde gescheitert, weil ihr der Schritt, ihren Freund und ihr Zuhause zu verlassen und ihr Leben als einsame alte Jungfer zu beschließen, zu gewaltig vorgekommen war. Es schien viel leichter, sich abzufinden und den Mund zu halten. Wozu brauchte man Selbstachtung, wenn man einen Freund hatte?
Und wie nicht anders zu erwarten, war Thomas sehr nett zu ihr gewesen, als ahnte er, daß etwas im Busch war. Er sagte ihr, sie sehe aus, als habe sie abgenommen. Er bot ihr an, das Abendessen zu kochen. Und jedesmal, wenn sie ihren Mut zusammennahm und ihm ihre Entscheidung mitteilen wollte, verwirrte sich alles in ihrem Kopf, und das ganze Vorhaben erschien ihr der reine Wahnsinn.
Aber in einem Rhythmus, bei dem sie zwei Schritte vor und einen zurück machte, erreichte sie schließlich doch den Punkt, an dem sie bereit war. Sie hatte die Dinge zu lange unter den Teppich gekehrt, doch jetzt blieb ihr keine Wahl mehr.
Sie rüstete sich mit den Bildern all der Male, als er sie wie Dreck behandelt hatte, und wollte endlich die Konsequenzen ziehen. Zwischendurch schossen ihr noch andere, fast vergessene Erinnerungen durch den Kopf und festigten ihre wütende Entschlossenheit. Sie wollte ihn verletzen und demütigen, wie er sie verletzt und gedemütigt hatte. Wie sie ihm
erlaubt
hatte, sie zu demütigen.
Als sie seinen Schlüssel in der Tür hörte, war ihr Mund plötzlich trocken. Nach einem Tag der Auseinandersetzungen mit aufmüpfigen Teenagern erschöpft, sah er sie kaum an und warf seinen (braune) Schultasche auf die (braune) Couch.
Dann fiel ihm auf, daß etwas anders war als sonst. Die Atmosphäre war anders. Warum stand Tara mitten im Zimmer? Warum saß sie nicht auf dem Sofa? Und wo waren die Bücher? Waren Einbrecher in der Wohnung gewesen?
»Thomas?«
»Was ist?«
»Ich muß dir etwas sagen.«
»Und?«
»Ich trenne mich von dir.«
Er stöhnte. »Ah, Tara, was ist in letzter Zeit bloß los mit dir? Ich komme gerade von der Arbeit und habe keine Lust auf eine von deinen hysterischen Diskussionen.«
»Ich glaube, du hast mich nicht richtig verstanden. Es gibt nichts zu diskutieren. Ich trenne mich von dir.«
Er sah sie an wie ein Goldfisch, seine Augen traten hervor. »Warum?« brachte er heraus.
»Mal sehen«, sagte sie und dachte nach. »Könnte es sein, weil du grundlos grausam bist? Oder krankhaft geizig? Oder ein besessener Kontrollierer? Oder weil du einfach unerträglich bist und ich dich nicht mehr mag? Es ist schwer, es genau zu sagen, Thomas. Ich weiß nur, daß ich nicht ganz bei Trost gewesen sein kann, weil ich zwei Jahre bei dir geblieben bin.«
Sein Gesicht verlor bei jedem Satz an Farbe. »Aber…«, fing er an und wand sich unter dem überraschenden Angriff. »Aber so bin ich nun mal. Ich sage die Dinge so, wie sie sind, aber ich liebe dich, und alles, was ich sage, ist nur zu deinem Besten.«
»Weißt du was«, sagte sie.
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