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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Blut in den Adern erstarren ließ: In den Borsten hatten sich Haare verfangen. Viele Haare. Rote Haare.
Seine
Haare.
    Er ließ die Bürste aus seiner erschlafften Hand fallen und untersuchte seine krönende Pracht genauer. Jeder verlor Haare, aber waren die Haare in der Bürste erste Anzeichen einer düsteren Zukunft? Sorgfältig tastete er seine Kopfhaut ab und mußte zu seinem Entsetzen feststellen, daß sein Haar schütterer zu sein schien als noch vor kurzem. Ihm gingen die Haare aus! Vor seinem panikerfüllten inneren Auge sah er schon kahle Stellen. Er würde doch nicht etwa eine – bei dem Wort stockte ihm der Atem –
Glatze
bekommen? Er brauchte seine Haarpracht. Besonders für seine Karriere. Aber alles schien zu Ende zu gehen, bevor es richtig angefangen hatte.
    Er merkte, wie tief seine Angst saß, als ihm sein Vater einfiel, der früh eine Glatze bekommen hatte, aber das war nicht so schlimm, wenn man Postbote war. Lorcan jedoch war ein international bekannter Schauspieler. Sein Aussehen garantierte ihm sein Einkommen. Was sollte er tun? überlegte er wild. Wenn er auf dem Kopf kahl war – würde er den Kranz drum herum lang lassen wie Michael Bolton? Oder sollte er sich die restlichen Haare abrasieren und als Glatzkopf herumlaufen wie Grant Mitchell?
    Niedergeschlagen und den Tränen nah bei diesen Gedanken sah er wieder in den Spiegel. Und fragte sich, warum er sich solche Sorgen machte. Er hatte jede Menge Haare. Massenhaft. Lange, üppige, glänzende, leuchtende Haare. Er würde sie mit einem Shampoo waschen, das Fülle verlieh. Das war alles, was es brauchte. Und ein bißchen mehr Stand über der Stirn. Es gab ja die Haarkur von Wella, die er schon immer ausprobieren wollte, jetzt bot sich die Gelegenheit.
    Er zeigte mit dem Finger auf sein Spiegelbild, zwinkerte und schnalzte mit der Zunge und summte dann mit einem zustimmenden Grinsen: »›Don’t go changin’‹.«
    »Wie sehe ich aus?« Schlank und sexy in einem schwarzen Catsuit stolzierte Tara vor Katherine und Joe auf und ab.
    »Phantastisch. Tara –«
    »Vielleicht ist dieser Benjy ja nett«, überlegte Tara.
    »Tara, als du in der Dusche warst, hat Sandro wegen Fintan angerufen.«
    »Oh, nein«, stöhnte Tara und ließ sich in einen Sessel fallen.
    »Keine Angst, es sind gute Nachrichten.«
    Tara linste ängstlich zwischen ihren Fingern hindurch.
    »Sehr gute Nachrichten! Er hat gesagt, daß die Tumore in den letzten Tagen dramatisch geschrumpft seien.«
    Tara saß wie erstarrt, das Gesicht immer noch halb hinter den Händen verborgen.
    »Der Tumor an seinem Hals ist um die Hälfte kleiner, sagt Sandro, und die auf der Bauchspeicheldrüse kann man kaum noch fühlen.«
    »Oh, Gott sei Dank.« Tara lachte unter Tränen. »Wurde auch höchste Zeit, nach sechs Monaten Chemotherapie. Und was ist mit dem Zwerchfell und dem Knochenmark?«
    »Sie müssen noch weitere Untersuchungen machen, aber wenn die Tumore in den Lymphdrüsen zurückgegangen sind, kann man annehmen, daß die an den anderen Stellen auch geschrumpft sind.«
    »Ich kann es gar nicht fassen.« Tara seufzte. »Ich kann es nicht fassen. Ich fasse es nicht. Es gab so lange nichts Positives, und ich war mir schon fast sicher, na ja, daß es kaum, ehm, na ja, kaum Hoffnung gab.«
    »Ich weiß.«
    »Ich hatte mich schon damit angefunden – also, nicht abgefunden«, sagte sie hastig, »aber wenn keine Besserung eingetreten wäre, dann wäre es kein so riesiger Schock gewesen. Du weißt, wie ich das meine, oder?«
    Katherine nickte.
    »Aber das sind ja phantastische Nachrichten!« In Taras Augen glänzten die Tränen.
    »Wir sollten uns lieber nicht allzu viele Hoffnungen machen.« Katherine mahnte zur Vorsicht. »Die Krankheit ist so unberechenbar.«
    »Oh, aber wir müssen uns ein bißchen Hoffnung machen. Sollen wir ihn besuchen gehen?«
    »Nein.« Katherine verbarg nur mühsam ihre Ungeduld. »Wir besuchen ihn morgen. Triff du dich mit deinen Leuten und mach dir einen schönen Abend.«
    Sie wollte Tara dringend loswerden, weil ihr seit dem Vortag etwas unter den Nägeln brannte, was sie unbedingt mit Joe besprechen wollte.
    »Also gut. Bis später dann.«
    »Mach’s gut. Tschüs.«
    Die Tür fiel ins Schloß.
72
    J oe?«
    »Mmmm?«
    »Ist mal was zwischen dir und Angie gewesen? Angie im Büro?« Katherine spürte, daß er plötzlich steif wurde, als wäre ihm vor Schreck das Blut in den Adern gestockt, dann reckte er sich und setzte sich aufrecht hin. Er sah sie mit trauriger

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