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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ich habe eine erstklassige Methode für dich. Hör dem Meister gut zu, Benjy, denn so mußt du es machen. Es ist nicht nötig, daß du zu dieser Tara sagst: ›He, Dicke! Ich mache es auch aus Mitleid‹, denn sie weiß, daß sie dick ist, und du weißt es auch, okay? Du sagst also nicht, daß sie ein paar Kilo abnehmen könnte, statt dessen beklagst du dich, daß alle Frauen immer dünn sein wollen. Ist das klar?«
    Benjy nickte bedächtig.
    »Du sagst einfach in normalem Gesprächston, als würdest du gar nicht merken, daß sie praktisch aus allen Nähten platzt, du sagst einfach, es würde gar nicht stimmen, daß Männer nur dünne Frauen mögen. Du erzählst ihr, Männer würden sich nie darüber unterhalten, wie irre diese spindeldürre Frau war, daß ihre Rippen überall zu sehen waren und daß sie wie das Opfer einer Hungerkatastrophe aussah. Kein Mann würde davon schwärmen, daß er sich an dem spitzen Hüftknochen einer Frau verletzt hatte, oder würde einen Steifen bekommen, wenn er ihre dünnen Arme sieht. Capito?
    Benjy nickte.
    »Dann – immer noch im Unterhaltungston – fängst du an, über Models herzuziehen. Du sagst, daß kein Mann mit Blut in den Adern eine Frau haben will, die wie ein magersüchtiger Teenager aussieht. Du kannst Jody Kidd erwähnen. Natürlich wissen wir beide, daß eine Nacht mit Jody Kidd der Himmel auf Erden wäre, aber das sagst du der dicken Tara nicht. Und bevor die dicke Tara weiß, wie ihr geschieht, denkt sie, sie ist im Himmel, und kann es kaum erwarten, es mit dir zu treiben.«
    »Mann, du bist unglaublich. Du hast nicht ein Fünkchen Moral.«
    »Danke.« Lorcan zuckte die Achseln und sagte: »Du brauchst nicht zu übertreiben. Wozu sind Freunde denn da?«
    »Es gibt nur ein Problem«, gestand Benjy verlegen. »Ich weiß nicht, ob ich eine Dicke will.«
    »Dicke haben ihre guten Seiten. Was sage ich dir immer?«
    »Ich soll eine Frau fragen, welches Shampoo sie benutzt.«
    »Und außerdem?«
    Benjy wußte die Antwort nicht, und Lorcan explodierte: »Habe ich dir nicht schon tausend Mal gesagt, daß Dicke sich mehr Mühe geben?«
    »Entschuldigung.«
    »Hörst du eigentlich zu, wenn ich dir was sage?«
    »Doch, doch. Es tut mir leid.«
    »Ach, vergiß es. Wenigstens strengst du dich an. Und jetzt sage ich dir noch was – und das wissen die meisten Leute gar nicht -: Dicke fühlen sich gut an.«
    »Würdest du mit einer Dicken schlafen?« fragte Benjy voller Hoffnung. Wenn Lorcan, sein Held und Mentor, es tun würde, dann war es vielleicht in Ordnung.
    »Klar würde ich das machen«, erklärte Lorcan großspurig. »Kein Problem. Obwohl«, fügte er hinzu, »ich würde mich nicht in der Öffentlichkeit mit einer zeigen. Aber bei einer in der Wohnung, da hätte ich keine Probleme, mit ihr Salami-Verstecken zu spielen.«
    »Na gut. Aber vielleicht ist diese Tara ja nett.« Benjy hatte immer noch Hoffnung.
    »Ja, möglich.« Lorcans Augen wurden schmal. »Vielleicht ist sie nett.«
    Lorcan ging ins Badezimmer und machte sich fertig. Er fühlte sich seltsam niedergeschlagen. Was hatte er bloß? Seit einem halben Jahr ungefähr plagten ihn neue und besorgniserregende Gefühle, und Benjy Hilfestellung zu geben reizte ihn nicht mehr so wie früher. Er hatte nicht dieselbe Energie oder Freude an diesen Dingen. Er führte sich immer noch wie der böse Junge auf, vernachlässigte Amy oder flirtete mit anderen Frauen, wenn sie dabei war, was sie kreuzunglücklich machte. Aber es machte nicht den gleichen Spaß wie früher. Bei dem Gedanken, sich zu binden oder gar Kinder zu haben, hatte er immer schallend gelacht, aber in letzter Zeit hatte er gelegentlich sehnsuchtsvoll an einen kleinen Lorcan gedacht. Oder vielleicht sogar ein kleines Mädchen. Wer weiß?
    Er war fast vierzig. Er seufzte. Die Midlife-crisis nahte.
    Schwungvoll zog er Amys Bürste durch sein volles, seidiges Haar, und es wurde ihm leichter ums Herz. Sein Haar konnte noch jedesmal seine Stimmung heben. Eine Weile spielte er sein Lieblingsspiel: Er strich mit der Bürste langsam durch die Haare bis zu den Haarspitzen und zog sie ganz lang und glatt, bis zum Äußersten – und dann riß er die Bürste heraus und ließ sein Haar in seine ursprüngliche gewellte Position zurückspringen. Er wurde dieses Spiel nie leid.
    Auf diese Weise amüsierte er sich eine Zeitlang, er schob das Haar zurück, strich es glatt, zupfte hier, zipfelte dort, ordnete es neu, dann nahm er wieder die Bürste – und sah etwas, das ihm das

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