Pusteblume
Miene an.
»Du mußt mir das nicht erzählen«, sagte sie schnell, obwohl sie wollte, daß er es erzählte. »Es geht mich nichts an, aber gestern hat sie uns zusammen zur Arbeit kommen sehen und mich gefragt, ob wir etwas miteinander hätten. Ich habe es geleugnet, aber sie schien betroffen, und deshalb … habe ich mich gefragt, ob was zwischen euch war? War was?«
Er sah sie mit endloser Zärtlichkeit an, dann verzog er das Gesicht wie vor Schmerzen. Er hob an zu sprechen, und sie sah ihn an und wünschte sich zutiefst, daß er nein sagen würde. »Ja«, sagte er. Sie spürte, wie ein Gewicht sich auf sie senkte. Bleib ruhig, sagte sie zu sich selbst. Mach nicht alles kaputt.
»Wie lange?« Ihr Herz klopfte wie wild. »Ich meine, was ist –, ich meine, habt ihr euch öfter gesehen? Warst du in sie verliebt?«
»Nein«, sagte er mutlos. »Nichts von alledem. Es war nur eine Nacht.«
Eine Nacht war schlimm genug, dachte sie, und ihr Innerstes wurde von eifersüchtigem Schmerz zerfressen. Sie dachte an Angie, so schlank und hübsch, und wollte Joe umbringen. Und sie hatte das schreckliche Gefühl, daß sie wußte, von welcher Nacht die Rede war. Das machte es noch schlimmer. Einen Tag, nachdem sie ihn der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte, war er abends mit Angie in den Pub gegangen und hatte am nächsten Tag im Büro die gleichen Kleider wie am Vortag getragen. Damals hatte sie ein schlechtes Gefühl gehabt, und jetzt hatte sie ein noch schlechteres. Immer wieder hatte sie in den letzten fünf Monaten Joe fragen wollen, was damals passiert sei, aber sie hatte sich nicht getraut, für den Fall, daß es nicht die Antwort war, die sie gern gehört hätte. Aber nachdem sie Angies Erschütterung mitbekommen hatte,
mußte
sie fragen.
»Ich hätte es nicht tun sollen«, sagte Joe unglücklich. »Normalerweise tue ich so etwas nicht. Aber ich bin auch ein Mensch und mache Fehler.«
»Ich bin mir sicher, Angie Miller würde es nicht gern hören, daß man sie einen Fehler nennt«, sagte Katherine hochmütig. »Nein, das habe ich nicht gemeint, aber daß ich mich mit ihr eingelassen habe, war ein Fehler.«
»Eingelassen? Ich dachte, es sei nur eine Nacht gewesen.«
»Es war nur eine Nacht.«
»Muß ja ganz schön intensiv gewesen sein, wenn du das –« Sie holte tief Luft, bevor sie ihm entgegenschleuderte: »–
einlassen
nennst.«
»Es war nur ein Wort. Offensichtlich das verkehrte.«
Katherine hielt den Atem an und wartete darauf, daß er sagen würde, er habe Angie nur geküßt und sei dann auf der Couch eingeschlafen, weil er zu betrunken war, um mit ihr zu schlafen. Aber er sagte nichts, deswegen fragte sie ihn: »Du hast also mit ihr geschlafen?«
»Ja.«
»Ich meine, du hast Sex mit ihr gehabt.« Sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Er nickte. Ja.
Das Gefühl der Übelkeit verstärkte sich noch. »Und dann hast du allen erzählt, sie sollen Angie ›Gillette‹ nennen. Das ist ja sehr erwachsen von dir, Joe.«
»Das habe ich nicht getan.« Schrecken und Widerwille zeichneten sich in seiner Miene ab. »Ich weiß nicht, wer damit angefangen hat – wahrscheinlich Myles –, aber es kam nicht von mir.«
»Ja, aber anscheinend hast du allen erzählt, du hättest mit ihr geschlafen. Gut gemacht, Joe!«
»Ich habe niemandem etwas gesagt. Angie hat es Myles erzählt, wenn du es unbedingt wissen willst.«
»Hast du sie danach noch einmal gesehen?«
»Nicht, wie du denkst. Am nächsten Tag haben wir uns noch einmal getroffen, und ich habe mich entschuldigt für das, was passiert war, und gesagt, es würde nicht wieder vorkommen.«
»Und was meinst du, wie sie sich gefühlt hat?« Ein bitteres Gefühl der Wut kam in ihr auf. »Du schleppst sie ab, nimmst sie mit ins Bett und vögelst sie, und dann sagst du ihr, einmal reicht. Wie ehrenhaft!«
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Was tut dir leid?« fragte sie kalt. »Du kannst doch machen, was du willst.«
»Bitte, sei nicht so«, bat er sie sanft.
»So – wie?«
»Warum bist du so böse? Wir waren damals noch gar nicht zusammen. Es war sogar kurz nachdem du das mit der sexuellen Belästigung gesagt hast –«
Ich weiß,
wollte sie schreien.
»– und ich dachte, du machst dir nichts aus mir. Und, ehrlich gesagt, Katherine, ich war ziemlich fertig –«
»Und natürlich war es da das beste, mit einer anderen Frau zu schlafen. Typisch Mann.«
»Es hätte nicht passieren dürfen«, sagte er noch einmal. »Es tut mir leid, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher