Pusteblume
gab sie beschämt zu.
Sie schwiegen, während sich zwischen ihnen eine schreckliche Spannung aufbaute.
In Taras Kopf wüteten wilde Fragen: Was bedeutete das? Was für eine Zukunft hatten sie?
»Aber wenn –«, hob Tara an und brach ab. Warum einen Sturm entfesseln, den man nicht bändigen konnte? »Die Diskussion ist müßig, denn ich bin ja gar nicht schwanger«, rief sie, rang sich ein Lächeln ab und bemühte sich verzweifelt, die Kluft wieder zuzuschütten. Schnell, schnell, bevor er etwas merkte. Schnell, schnell, bevor sie etwas merkte. »Dick meinetwegen, aber nicht schwanger. Wozu sich Gedanken machen?«
Thomas sah sie befremdet an. Fast verwirrt. Als ob auch er Fragen wälzte. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen.
»Wir müssen gehen«, platzte sie heraus und schnitt ihm das Wort ab. »Sonst kommen wir zu spät.«
Er zauderte einen Moment, die Worte lagen ihm schon auf der Zunge. Doch zwischen dem Einatmen und dem Sprechen erstarb das gefährliche Licht in seinen Augen. »Ist gut«, sagte er und legte den Arm um sie, »gehen wir.«
Sie sprachen nicht mehr davon. Aber nach dem Film gingen sie nicht, wie sie es sonst häufig taten, zu einer Party oder in einen Club, sondern nach Hause, wo sie fernsahen, rauchten und schweigend eine Flasche Wein tranken. Als die Flasche leer war, ging Tara in die Küche und mixte sich heimlich einen großen Gin Tonic. Dann einen zweiten und einen dritten. Sie trank so viel, daß es einen Elefanten umgeworfen hätte, aber sie wurde nicht fröhlich.
In der Nacht, während Thomas schnarchend neben ihr lag, machte sie in ihrer Trunkenheit Pläne. Obwohl sie nicht darüber nachdenken wollte, wußte sie, daß das Gespräch an dem Abend eine Warnung gewesen war. Sie mußte sich einfach größere Mühe geben, den gequälten, verletzten Mann an ihrer Seite glücklich zu machen.
Es
stand in ihrer Macht. Am Anfang war er verrückt nach ihr gewesen. Verrückt nach ihr. Wie sehr wünschte sie sich, diese glücklichen Tage wiederaufleben zu lassen, als er ständig gelächelt und ihr immer wieder beteuert hatte, was für eine tolle Braut sie war! Als sie Tag und Nacht Sex miteinander hatten. Als er sagte, sie habe die beste Figur von allen Frauen, die er je gekannt hatte. Als sie sich bewundert, begehrt und mächtig gefühlt hatte.
Sie wußte nicht, wann sie in die gegenwärtige flaue Phase geraten waren. Aber das war nur vorübergehend. Bald würden wieder bessere Zeiten anbrechen. Sie mußte sich nur ein bißchen mehr bemühen.
Sie knirschte mit den Zähnen und schwor sich, ernsthaft abzunehmen. Und weil ihn ihre Verschwendungssucht ärgerte, würde sie aufhören, soviel Geld auszugeben. Sie würde jede Menge sexy Unterwäsche kaufen. Billige sexy Unterwäsche, das war ja klar, wenn sie sparsamer leben wollte. Sie würde sich in einen Vamp verwandeln, Thomas zu Boden werfen, sobald er von der Arbeit nach Hause kam, und im Flur mit ihm Sex haben. Sie würde ihm köstliche Sachen kochen, aber nichts für sich selbst.
Sie starrte in die Dunkelheit und überlegte sich krampfhaft, was sie ganz Besonderes für Thomas tun konnte. Was war das Netteste, das ein Mensch je für sie getan hatte? Wenn sie ehrlich war, dann war ihr das Netteste, an das sie sich erinnern konnte, passiert, als sie neun war. Sie hatte ihre Mutter angefleht, ihr einen Jeansrock mit passender Weste zu kaufen, wie sie es in
Jackie
gesehen hatte, aber ihre Mutter hatte nie genug Geld und konnte sich das nicht leisten. Statt dessen fuhr sie mit dem Bus nach Ennis, kaufte ein Schnittmuster und ausreichend Jeansstoff, um Rock und Weste zu nähen. Und das tat sie nach Taras Anweisungen, bis hin zu »zwei orangefarbenen Nähten um die Ränder«, auf denen Tara bestand, »und man muß sie sehen.« Und obwohl es gegen Fidelmas Ehre ging, einen Saum zu nähen, den man mit bloßem Auge sehen konnte, schluckte sie und nähte und machte es genau nach Taras Anweisungen, weil Tara es sich so gewünscht hatte. Das war das Netteste, was je einer für sie getan hatte, fand Tara. Selbst als ihr Vater über den Rand seiner Zeitung hinweg verächtlich sagte: »Man kann eine Ziege in Seide kleiden, aber sie ist und bleibt eine Ziege«, konnte das ihre Freude über die neuen Kleider nicht schmälern.
Allerdings konnte Tara sich nicht vorstellen, daß Thomas schrecklich begeistert sein würde, wenn sie ihm einen Rock mit passender Weste aus Jeansstoff nähte. Aber der Gedanke, ihm etwas zum Anziehen zu machen, gefiel ihr. Sie
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