Pusteblume
ich nicht dabei wäre, würdet ihr den Preis durch drei teilen. Es ist nicht in Ordnung, wenn ihr davon profitiert, daß ich mitkomme. Ich sage das frei von der Leber weg.«
Katherine fing an zu lachen. Vielleicht war Thomas doch nicht so übel. »›Frei von der Leber weg‹? Das gefällt mir.« Sie versuchte, seinen nördlichen Akzent nachzumachen: »Ich mag es, wie die Leute im Norden sprechen. Sag doch noch was.«
Plötzlich merkte sie, daß Thomas, Tara und Liv ganz still geworden waren. Genau in dem Moment, als Tara zischte: »Katherine, halt deine große Klappe«, begriff Katherine, daß Thomas nicht zum Scherzen zumute war.
In düsterem Schweigen bezahlte Tara den Taxifahrer. Und als Katherine sah, wie Thomas durch die Wohnung stolzierte und von Tara gleich mit in ihr Zimmer genommen wurde, wäre sie fast vor Empörung explodiert.
»Ich spreche frei von der Leber weg«, war Thomas’ Lieblings-Redensart. Und es gab vieles, was er »frei von der Leber weg« zu bemängeln hatte.
An dem Tag, nachdem Tara ihn kennengelernt hatte, lümmelten sie alle im Wohnzimmer herum. Katherine hatte sich eine kleine Erkältung zugezogen und hustete immer wieder.
»Ich glaube, ich hab’s auf der Brust«, sagte sie nach einem Hustenanfall.
»Das nennst du Brust?« fragte Thomas unvermittelt.
Tara kreischte so laut, daß selbst Thomas sie beunruhigt ansah. Und als Katherine sich von dem Schock erholt hatte und etwas erwidern wollte, unterbrach er sie mit dröhnender Stimme: »Aber es stimmt doch, oder?«
»Darum geht es gar nicht«, sagte Katherine kühl. »Es ist einfach ungehörig –«
»ABER ES STIMMT DOCH, ODER?« sagte er noch lauter. »Du hast keine Titten, das ist eine Tatsache, warum sollte ich da lügen?«
»Keiner hat dich nach deiner Meinung gefragt«, erwiderte Katherine.
»Du erträgst die Wahrheit nicht, das ist es.« Er zuckte die Achseln. »Du hältst eben nichts aus. Ich spreche –«
»– frei von der Leber weg, ich weiß«, sagte Katherine.
Innerhalb weniger Tage hatte Thomas Taras sämtliche Freunde beleidigt. Liv nannte er eine Riesin, was sie sehr verletzte. Als er Fintan vorgestellt wurde, gab er ihm nur zögernd die Hand und wischte sie sich dann am Hosenbein ab – ein deutlicher Hinweis, daß er etwas gegen Homosexuelle hatte.
Als er jedoch im Umgang mit Tara auch diesen barschen Ton anschlug und versuchte, das Machtverhältnis zu seinen Gunsten zu verschieben, waren alle gegen ihn aufgebracht. Doch zu dem Zeitpunkt war Tara schon verloren. Thomas hatte sie, wie sie meinte, vor einem lebenslangen Schicksal als alte Jungfer bewahrt. Sie war süchtig nach seiner Hingabe, und wenn er etwas an ihr zu kritisieren hatte, dann war es in ihrem Interesse, es ernst zu nehmen.
Nach etwa einem Monat machte Tara zum ersten Mal eine Andeutung darüber, daß Thomas unzufrieden mit ihrem Gewicht war.
»Das ist ja schrecklich«, sagte Liv schockiert. »Liebt er dich nicht um deiner selbst willen?«
»Schon, aber er sagt es mir nur, weil ich ihm wichtig bin«, beharrte Tara. »Und er hat ja recht. Ich habe ein paar Pfund zugenommen, und die werde ich wieder runterhungern.«
Liv ballte frustriert die Fäuste. »Nach dem, was Alasdair dir angetan hat, bist du wie ein verzagtes Käuzchen.«
»Du meinst, Mäuschen«, verbesserte Katherine sie sanft.
»Thomas ist einfach ein Fiesling. Du darfst dich ihm nicht unterordnen«, sagte Liv.
»Ach, na ja«, erwiderte Tara. »Ich weiß, daß er dich verletzt hat mit seiner Bemerkung über deine Größe. Und Katherine war getroffen, als er das über ihre Brüste gesagt hat. Aber eigentlich war er nur ehrlich. Es ist gut, wenn man mit jemandem zu tun hat, bei dem man genau weiß, woran man ist, findet ihr nicht?«
In diesem Augenblick hatte Katherine beschlossen, sich eine Wohnung zu kaufen und auszuziehen.
»Ich mag es, daß er feste Überzeugungen hat«, sagte Tara versonnen. »Ich finde es toll, daß er zu seiner Meinung steht und sich nicht beirren läßt. Findet ihr nicht, daß seine Selbstsicherheit und seine klaren Standpunkte sehr sexy sind? Und wo wir beim Sex sind, im Bett ist er nicht zu bändigen, Tag und Nacht … Geht’s dir nicht gut, Katherine? Du bist ganz rot im Gesicht.«
»Mir geht es bestens«, murmelte Katherine. Wenn sie noch einmal zu hören bekam, wie großartig Thomas im Bett war, würde sie losschreien.
»Außerdem«, fügte Tara hinzu und kam auf das eigentliche Thema zurück, »wenn er die Leute manchmal verletzt, ist es nicht
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