Pusteblume
gehen wäre aufregender gewesen.
Die Ausgelassenheit hielt an. Unter brüllendem Lachen sagte Eddie, daß Thomas’ Wohnung eine furchtbare Investition sei und er sein Leben lang nicht von seinen Schulden runterkommen würde. Und Thomas erzählte voller Heiterkeit, daß Pauls frühere Freundin gesagt habe, Paul solle sich mit Viagra behandeln lassen. Mit einem breiten Grinsen sagte Paul zu Thomas: »Wenigstens hat meine Mutter mich nicht im zarten Alter von sieben Jahren verlassen.«
Tara befürchtete, daß die freundlichen Feindseligkeiten im Begriff waren umzuschlagen, als jemand zum Glück »One Step Beyond« auflegte. Plötzlich tummelten sich all die Mitdreißigjährigen auf dem Teppich im Wohnzimmer und schwangen zum ersten Mal an dem Abend das Tanzbein.
29
W ährend der Woche hielt Tara eisern an ihren Vorsätzen fest, freute sich über ihre Selbstbeherrschung und hielt sich für moralisch überlegen. Aber allmählich ließ das nach. Und als der Sonntag anbrach, stieg das Freitagabend-Gefühl in ihr hoch und sie war reif für ein Festgelage. Sie wußte, daß ihre Stoffwechselfunktionen sich verlangsamten, weil sie so wenig aß. Fünf Tage des Obstkonsums und der Entbehrung lagen hinter ihr. Sie hatte eine Belohnung verdient. Ihr war dunkel bewußt, daß dies ihr übliches Muster war, aber sie verstand es nicht so gut, als daß sie es hätte durchbrechen können. In ihrem Hinterkopf entwickelte sich die Vorstellung von einem langen, ausgiebigen sechsgängigen Lunch, bei dem reichlich Alkohol floß. Und das Glück war ihr hold, denn Thomas würde den größten Teil des Tages beim Fußballspielen sein.
Tara telefonierte herum. Leider wollte Katherine ins Büro gehen, um die Anfangsrechnung für das neue Jahr zu machen. »Aber du hast gerade erst die Endabrechnung gemacht«, sagte Tara enttäuscht.
»Ja, und mit jedem Ende kommt ein neuer Anfang«, gab Katherine zurück.
»Sehr tiefsinnig«, sagte Tara. »Den Spruch solltest du dir merken.«
Tara versuchte Fintan zu erreichen, wieder ohne Erfolg. Vielleicht waren er und Sandro fürs Wochenende verreist. Aber normalerweise sagten sie Katherine und ihr Bescheid, wenn sie wegfuhren. Ob es nun Marrakesch oder Margate war, sie machten immer einen riesigen Aufstand. Wo waren sie also?
Tara zündete sich eine Zigarette an und rief bei Liv an, die nach Lars’ Abreise zu allem bereit war. Der einzige Nachteil war der, daß Liv ziemlich niedergeschlagen war. Obwohl sie auch dann niedergeschlagen war, wenn sie eine gute Phase hatte.
Thomas saß dabei und hörte, daß Tara und Liv sich zum Einkaufen verabredeten. Allerdings hatte Tara vor, den Einkaufsteil möglichst kurz zu halten und sich so bald wie möglich in einem Lokal zu erholen. Ihr Entschluß stand fest, und es war ihr gleichgültig, daß sie im Begriff war, das Ergebnis von fünf Tagen Hungerkur auf einen Schlag zunichte zu machen.
»Ich bin schon auf dem Weg«, sagte Liv.
Liv wollte den Zeitpunkt so abpassen, daß sie Thomas nicht begegnen würde, doch leider war er noch da, als sie kam. Er nickte kurz, als sie mit Tara in die Küche ging. Obwohl ihm ihre langen blonden Haare und ihre goldene Haut gefiel, ärgerte es ihn, daß sie es wagte, größer zu sein als er.
Liv haßte Thomas’ Wohnung, sie war so deprimierend dunkel und stank nach Katze. Es juckte ihr in den Fingern, die braune Leinentapete abzureißen und die Wände aquamarinblau anzumalen; sie wollte die Teppichfliesen rausschmeißen und den Fußboden abziehen, sie wollte die Rollos durch bauschig gespannte fliederfarbene Organza-Gardinen ersetzen. Aber die Küche war am allerschlimmsten, dachte sie, als sie ihren Blick über die senfbraunen Einbauschränke gleiten ließ. Am liebsten hätte sie … hätte sie … den ganzen traurigen Mist verbrannt.
Tara sollte sich wirklich darum kümmern. Wußte sie nicht, daß Inneneinrichtung der Rock ‘n’ Roll der Neunziger war?
Tara machte die Küchentür zu. »Lars ist also wieder in Schweden?« fragte sie sanft.
»Ja.« Liv nickte mit unglücklicher Miene. »Diesmal ist es hart für mich. Sehr hart.«
»Es ist jedesmal sehr hart«, versuchte Tara sie aufzumuntern. »Selbst wenn er seine Frau verließe und dich heiraten würde, wärst du kreuzunglücklich.«
»Aber ich glaube, ich bin zu unglücklich, um einkaufen zu gehen«, erklärte Liv. »Stell dir vor, ich finde nichts Schönes! In meinem labilen Zustand könnte ich das nicht ertragen.«
»Aber denk doch, wie du dich freuen wirst, wenn
Weitere Kostenlose Bücher