Pusteblume
sagte Liv.
»Ich rauche mehr als du.«
»Nein, ich rauche mehr als du.«
»Liv, du rauchst gar nicht!«
»Ja, aber wenn ich rauchen würde, dann würde ich mehr als du rauchen. Ich bin nämlich sehr selbstzerstörerisch«, fügte sie stolz hinzu.
»Verstehe. Also, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, meine Wohnung ist unordentlicher als deine«, sagte Tara entschieden.
»Nein, meine Wohnung ist unordentlicher als deine«, verteidigte Liv sich tapfer.
»Na gut, mein Freund ist ein größeres Schwein als deiner«, sagte Tara.
»Nein, mein – Moment mal, das stimmt, dein Freund ist ein größeres Schwein als meiner«, sagte Liv. »Die Runde geht an dich.«
»Oh.« Tara war geknickt. Sie hatte es gesagt, weil sie hoffte, Liv würde ihr widersprechen.
»Hätte ich das lieber nicht sagen sollen?« fragte Liv kleinlaut.
»Oh, Liv.« Tara seufzte und nahm mehrere große Schlucke von ihrem Bier, dann zündete sie sich eine Zigarette an. »Zwischen mir und Thomas läuft einiges schief.«
Da erzählst du mir nichts Neues,
dachte Liv, sagte es aber nicht.
Obwohl Tara Angst hatte, darüber zu sprechen, weil es dadurch wirklicher wurde, platzte es plötzlich aus ihr heraus. »Letzten Samstag hatten wir … ehm … ein Gespräch…«, fing sie an.
Sie machte eine Pause, und Liv sah sie schweigend und verständnisvoll an.
»… und er hat gesagt, wenn ich schwanger würde, dann würde er nicht zu mir halten. Ich habe das nicht vor oder so, aber es hat mir ganz schön angst gemacht. Ich habe mir alle Mühe gegeben, nicht darüber nachzudenken, und ich weiß, daß er mich liebt. Aber die ganze Woche über habe ich insgeheim darauf gewartet, daß etwas Schreckliches passieren würde.« Sie zitterte, als sie einen Zug von ihrer Zigarette nahm. »Ich kann gar nicht sagen, daß die Woche besonders schlimm war – im Gegenteil, ein paarmal war er richtig lieb zu mir –, aber ich habe einfach dieses ungute Gefühl. Und ich bin so nörgelig! Am Montagabend bin ich ausgerastet, und als ich gestern vom Friseur kam, wollte ich ihn wieder anbrüllen. Ich versteh das nicht.«
Liv fielen auf der Stelle Hunderte von Gründen ein, warum man auf Thomas sauer werden konnte.
»Was soll ich tun?« fragte Tara verzweifelt. »Du kannst ganz offen mit mir sein.«
Liv holte tief Luft und beschloß, das Risiko einzugehen. »Ich bin der Meinung, du solltest ihn verlassen.«
»HAHAHAHA«, brüllte Tara und zündete sich sofort eine neue Zigarette an.
»Ich meine es ernst«, sagte Liv. »Was ist das für eine Zukunft? Wenn er sagt, er würde nicht zu dir stehen, wenn du schwanger wirst, dann denkt er nicht gerade an eine dauerhafte Beziehung.«
»Ich werde eben aufpassen, daß ich nicht schwanger werde«, sagte Tara finster entschlossen.
»Willst du keine Kinder haben? Ich meine, später?«
»Es geht auch ohne.«
»Aber das ist doch nicht der Punkt. Du möchtest mehr von der Beziehung, als er zu geben bereit ist. Am besten, du machst einen Schnitt.«
Wo hatte Tara das bloß schon einmal gehört?
»Wie kann ich ihn denn verlassen?« fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Ganz einfach, du packst deine Tasche und kommst zu mir, oder du gehst zu Katherine oder Fin –«
»Ich bin
einunddreißig.
« Taras Stimme war hoch und schrill. »Ich kann ihn nicht verlassen, ich werde nie einen anderen kennenlernen. Ich habe keine Zeit mehr…«
»Unsinn.«
»… ich kriege Falten, die Erdanziehungskraft setzt sich durch, meine gebärfähigen Jahre rinnen mir durch die Finger wie Quecksilber…«
»Gerade hast du gesagt, es wäre dir egal, ob du Kinder bekommst –«
»… und man lernt nirgendwo Männer kennen.« Tara beachtete sie gar nicht. »Die Party, auf der wir gestern abend waren, war niederschmetternd. Und dazu kommt, daß ich keine Lust mehr habe, in Clubs zu gehen.« Sie hörte auf zu sprechen, als ihr das ganze Ausmaß ihrer Lage bewußt wurde. »Es ist eine Katastrophe, Liv. Ich habe Torschlußpanik … und ich will nicht mehr bei der Hetzjagd mitmachen müssen.«
Liv wußte sich keinen Rat mehr. Es war so schwer, Tara zu helfen. »Und weil du glaubst, daß du keinen anderen findest, bleibst du bei diesem schwierigen, egoistischen Mann?«
»Er kann doch nichts dafür, daß er so ist«, verteidigte Tara ihn. »Und wenn ich das sagen darf, ich betrachte ihn lieber als jemand, der gelitten hat und sehr empfindlich ist.«
Liv hatte keine Lust, sich einen weiteren aufschlußreichen Vortrag über Thomas’ Kindheit anzuhören,
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