Pusteblume
deshalb warf sie schnell ein: »Du bleibst also bei einem, der gelitten hat und sehr empfindlich ist?« Und fügte leise hinzu: »Und der schwierig ist und sich egoistisch benimmt?«
»Auf jeden Fall, wenn die Alternative ist, keinen Mann zu haben.«
»Wir sind moderne Frauen,
Frauen des neuen Jahrtausends…
«
»Fang erst gar nicht davon an«, zischte Tara und fischte sich eine neue Zigarette aus der Packung.
»Wovon?«
»Daß wir keine Männer brauchen. Von brauchen ist hier gar nicht die Rede.«
»Aber was ist mit deiner Selbstachtung?« fragte Liv.
»Selbstachtung hält dich nachts nicht warm.«
»Selbstachtung bringt den Müll nicht runter.«
»Das macht Thomas auch nicht.«
»Lars auch nicht.«
Sie schwiegen beide.
»Ich habe auch Torschlußpanik«, gab Liv schließlich zu.
»Das stimmt nicht. Lars hat gesagt, daß er seine Frau verlassen wird.«
»Er lügt«, sagte Liv.
»Ja, aber wenigstens hat er es gesagt. Und vielleicht tut er es eines Tages
doch.«
»Man kann nicht aus seiner Haut«, sagte Liv traurig.
»Warum sind Beziehungen so schwierig?« fragte Tara.
Eigentlich war es eine rhetorische Frage, aber Liv war der Ansicht, daß es für alles eine Erklärung gab. »Wir müssen in unserer Kindheit nachforschen«, sagte sie ernsthaft. »Das habe ich dir schon oft gesagt. Katherine hat zum Beispiel keinen Mann, weil sie in ihrer Kindheit keinen Vater gehabt hat.«
»Wenn Katherine hier wäre, würde sie ganz schön über dich herfallen«, sagte Tara.
Liv ignorierte sie. »Wir Menschen sind eine Fehlkonstruktion, wir fühlen uns nämlich immer von dem angezogen, was uns vertraut ist, auch wenn das nicht angenehm ist. Du hast dir einen übellaunigen Mann ausgesucht, weil dein Vater auch … wie sagt man noch? … nörgelig ist?«
»Ein Nörgler erster Güte«, half Tara ihr aus. »Das sagst du jedesmal.« Sie hatte ihr zweites Bier fast ausgetrunken und fühlte sich wunderbarerweise nicht mehr ganz so deprimiert. »Aber zu wissen, warum ich das tue – angeblich –, hat nicht dazu geführt, daß ich damit aufhöre«, sagte Tara trocken. »Ich finde, Psychotherapie ist ein einziger Schwindel, wenn du meine Meinung hören willst.«
Bevor Liv anfangen konnte zu erklären, daß Selbsterkenntnis nichts nutzte, wenn man nicht danach handelte, sagte Tara: »Und was ist mit dir? Erklär mir, wieso du eine Affäre mit einem verheirateten Mann hast.«
»Meine Mutter hatte eine lange Affäre mit einem verheirateten Mann«, erklärte Liv.
»Ist das wahr?« Tara war voller Bewunderung. »Ihr Schweden! Was ihr euch alles traut. Ich kann mir nicht vorstellen, daß meine Mutter so etwas tun würde. Ich glaube sowieso nicht, daß sie je mit einem geschlafen hat
–« Tara brach abrupt ab. »Ja, aber Moment mal«, sagte sie dann schrill. »Du hast mir immer erzählt, deine Eltern seien das glücklichste Paar in Schweden! Wie konnte deine Mutter dann eine Affäre mit einem verheirateten Mann haben?«
»Das stimmt aber«, behauptete Liv.
»Aber glücklich verheiratete Leute haben keine Affären. Und wenn doch, dann nimmt man ihnen ihre Anstecknadeln als glücklich Verheiratete weg.«
»Aber es stimmt«, beharrte Liv.
»Na ja, wenn es nur eine kurze Sache am Anfang ihrer Ehe war.« Tara war zu einem Kompromiß bereit. »Wie lange hatte sie die Affäre denn?«
»Warte mal.« Liv nahm die Finger zu Hilfe und murmelte vor sich hin, während sie rechnete. »Wenn sie 1961 geheiratet haben, und jetzt haben wir 1999, dann sind das achtunddreißig Jahre.«
Plötzlich begriff Tara. »Liv, ich glaube, es zählt nicht als Affäre mit einem verheirateten Mann, wenn der Mann dein Ehemann ist«, erklärte sie.
»Schade«, sagte Liv. »Ich mag es, wenn alles zusammenpaßt.«
»Wir brauchen noch ein Bier«, sagte Tara.
Als sie auch das dritte Bier getrunken hatten, waren Taras Sorgen noch mehr geschrumpft.
»Die vollkommene Beziehung gibt es nicht«, tröstete sie sich und ließ sich von ihrer Selbsttäuschung und dem vielen Bier auf leeren Magen einlullen. »Es geht immer darum, Kompromisse zu schließen. Thomas und ich passen gut zusammen, und ich bin normal. Weißt du, was es bedeutet, wenn man einen Frosch küßt, und er verwandelt sich nicht in einen Prinzen? Es bedeutet, daß man unreif ist. Wenn man ein reifer Mensch ist, dann küßt man einen Frosch und überzeugt sich davon, daß es einem gefällt.«
»Bist du schon betrunken?« fragte Liv.
»Scharweinlich könnte ich noch ein Bier vertragen.«
»Wie
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