Pusteblume
hatten, fand nur zwei Minuten entfernt eine Party statt. Natürlich fanden viele Partys statt, weil dies London war und dazu noch der Bezirk Camden, und weil es Freitagabend war. Doch auf dieser Party war Lorcan Larkin einer der Gäste.
Lorcan Larkin war ein Mann, der rundum gelungen war. Das einzige, was nicht so gelungen war, war sein Name – da hatten die Eltern versagt. Er war eins fünfundachtzig und hatte einen breiten Brustkorb, einen flachen Bauch, lange Beine und schmale Hüften. Seinen Körper pflegte er, indem er nach Herzenslust aß und trank und rauchte. Sein kupferfarbenes Haar fiel ihm in weichen Locken auf die Schultern, er hatte schmale, sherrybraune Augen und einen der schönsten und sinnlichsten Münder in und um Camden.
Tausende von Frauen fanden sich in große Verwirrung gestürzt, wenn sie Lorcan begegneten, und sahen ihn mit lustvollen Blicken an. »Dabei finde ich rothaarige Männer gar nicht attraktiv«, hörte man überall. »Mir ist das so peinlich!«
Lorcan war ein ganz besonderer Rotschopf. Man pfiff ihm nicht nach und sagte: »Sieh dir den scharfen Rothaarigen an!« Eher folgten ihm verzückte Blicke.
Und für den seltenen Fall, daß jemand noch zögerte, ihm zu verfallen, statt sich dem Gefühl einfach zu ergeben, hatte er seine Geheimwaffe. Seinen irischen Akzent. Es war nicht der platte, bauernhafte Akzent, mit dem die Leute sich über die Iren lustig machten, indem sie die Vokale zerdehnten und einen unterwürfigen Ton anschlugen. Lorcans Stimme war weich, schmeichelnd, melodiös und vor allem gebildet. Und er schreckte nicht davor zurück, gelegentlich eine Gedichtzeile einzuflechten, wenn es ihm opportun schien. Frauen waren wie hypnotisiert von seiner Stimme. Und genau darauf legte er es an.
Genau in dem Moment, als Tara zwei Portionen Nachtisch bestellte (»Schließlich ist heute mein Geburtstag!« hatte sie trotzig erklärt.), beschloß Lorcan, daß er Kelly, die sechzehn Jahre alte Tochter seiner Gastgeberin, vögeln würde. Ganz offensichtlich war sie scharf auf ihn; schon den ganzen Abend machte sie ihn an, warf ihm heiße Blicke aus großen feuchten Augen zu und streifte ihn jedesmal, wenn sie an ihm vorbeiging, mit ihren festen jungen Brüsten. Gut möglich, daß Angeline, ihre Mutter, sauer sein würde, aber es wäre nicht das erste Mal, daß Mutter und Tochter sich seinetwegen in die Haare gerieten, und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Er musterte wohlgefällig Kellys prächtige jugendliche Fülle. Sie hatte lange, schlanke Beine und einen kleinen runden Po. Er sah, daß sie der Typ war, der schnell in die Breite gehen würde. In wenigen Jahren würde ihre Figur unter Fettmassen verschwinden, und sie würde sich verzweifelt fragen, wie das geschehen konnte. Aber jetzt war sie einfach vollkommen.
»Wir sollten gehen«, drängte Benjy und versuchte, nicht besorgt zu klingen. Lorcan hätte schon vor Stunden bei der Geburtstagsparty seiner Freundin Amy sein sollen.
Lorcan winkte ab, »Jetzt noch nicht.«
»Aber…«, hob Benjy an.
»Laß mich in Ruhe«, fuhr Lorcan ihn an.
Benjy war Lorcans ehemaliger Mitbewohner und inoffizieller gesellschaftlicher Begleiter. Er hielt sich immer in Lorcans Nähe auf, weil er hoffte, daß Lorcans ungeheurer Erfolg bei Frauen auf ihn abfärben würde. Sollte das nicht klappen, so wollte er zur Stelle sein, um den von Lorcan abgelegten Frauen – und davon gab es massenhaft – über die Enttäuschung hinwegkommen zu helfen, und zwar möglichst im Bett.
Mit geschmeidigen Bewegungen stand Lorcan vom Sofa auf und streckte sich. Mit einem strahlenden Lächeln näherte er sich Kelly, die prompt ihren Blick sittsam senkte, doch Benjy hatte das triumphierende Leuchten in ihren Augen gesehen. Benjy konnte nicht hören, was Lorcan zu Kelly sagte, aber er konnte die Worte erraten. Lorcan hatte ihm einmal aus reiner Gutmütigkeit ein paar seiner Eröffnungssätze für eine Verführung gesagt.
»Versuch, möglichst nah an ihr Ohr ranzukommen und zu murmeln: ›Du mit deinen verführerischen Augen, sie sind die reine Folter für mich‹«, hatte er Benjy empfohlen. »Oder – und dabei mußt du verlegen stottern, als wärst du schrecklich nervös: ›Entschuldigung, wenn ich mich aufdränge, aber ich muß dir einfach sagen, daß du einen wunderschönen Mund hast. Tut mir leid, wenn ich dich unterbrochen habe, ich bin auch schon wieder weg.‹ Das erhöht deine Chancen um hundert Prozent.«
Aber eine hundertprozentige Steigerung von
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