Pyramiden
zurück, aber es erschien wie eine Ewigkeit. Drei Monate im Alten Königreich waren eine Ewigkeit.
Nach einer Weile gähnte Ptraci und zog sich in ihre Kabine zurück. Die beiden jungen Männer blieben allein. Nun, nicht ganz allein. Eine Flasche Wein leistete ihnen Gesellschaft. Schelter sah dem ehemaligen Dienstmädchen staunend nach.
»Gibt es viele solche Frauen in deiner Heimat?« fragte er.
»Keine Ahnung«, antwortete Teppic. »Vielleicht. Für gewöhnlich liegen sie im Palast, schälen Weintrauben oder wedeln Fächer.«
»Sie ist toll. Bestimmt wird sie Ankh-Morpork im Sturm nehmen. Mit einer solchen Figur …« Schelter fügte hastig hinzu: »Und dann erst ihr Verstand …« Er zögerte. »Gibt es zwischen euch … Ich meine, habt ihr …«
»Nein«, sagte Teppic.
»Sie ist sehr attraktiv.«
»Ja«, sagte Teppic.
Sie nahmen ihre Gläser und gingen an Deck. Einige Lichter der Stadt verblaßten im hellen Funkeln der Sterne, und das Meer erstreckte sich spiegelglatt bis zum Horizont.
Die Welt vor Teppics Augen drehte sich langsam. Wüste, Sonne, ephebische Spezialitäten im Magen (er hoffte inständig, daß sie nicht mehr lebten) und eine Flasche Wein – das alles hatte eine gewisse Wirkung auf seine Synapsen.
»Ich musch sagen …«, brachte er hervor und lehnte sich an die Reling. »Du hascht viel erreicht.«
»Oh, ich bin zufrieden«, erwiderte Schelter. »Die Tätigkeit als Geschäftsmann ist recht interessant. Es geht darum, neue Märkte zu schaffen, weißt du. Freier Unternehmungsgeist. Der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen und so. Du solltest dich uns anschließen, Tep. Die Zukunft gehört dem klingenden Geldbeutel, sagt mein Vater immer. Nicht etwa Zauberern und Königen, sondern Geschäftsleuten, die es sich leisten können, Magier und Monarchen auf die Lohnliste zu setzen. Womit ich dir keineswegs zu nahe treten möchte.«
»Nur wir schind übriggeblieben«, sagte Teppic zu seinem Weinglas. »Vom ganzen Djel-Tal. Nur Ptraci, ich und ein Kamel, dasch wie ein alter Teppich riecht. Ein uraltes Altes Königreich, einfach verschwunden.«
»Zum Glück war’s kein Neues Königreich«, warf Schelter ein. »Die meisten Leute sind traurig, wenn sie etwas Neues verlieren.«
»Du ahnscht nicht einmal, was es mit meiner Heimat auf sich hat«, murmelte Teppic. »Sie ist wie eine riesige Pyramide. Aber umgekehrt, verstehst du? Die lange Geschichte, die vielen Vorfahren und Ahnen, das Volk – alles drückt auf mich herab. Ich befinde mich ganz unten, an der Spitze.«
Er ließ sich auf ein zusammengerolltes Seil sinken und nahm die Weinflasche entgegen.
»So etwas stimmt einen nachdenklich, nicht wahr?« sagte Schelter. »Ich meine, es gibt viele verlorene Städte und Königreiche. Es wimmelt geradezu von ihnen. Zum Beispiel Iieeh am Großen Nef. Berühmte Länder, die sich einfach in Luft auflösten. Irgendwo. Irgendwie. Vielleicht haben die Leute dort zu häufig und zu lange mit der Geometrie herumgespielt, was meinst du?«
Teppic schnarchte.
Schelter zögerte kurz, bevor er zur Reling schwankte, die leere Flasche über Bord warf – sie fiel mit einem leisen Platschen ins Meer, und einige Luftblasen stiegen auf, kräuselten die ansonsten völlig unbewegte Wasseroberfläche – und zu Bett ging.
Teppic träumte.
In seinem Traum stand er weit oben und mußte darauf achten, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dafür gab es einen guten Grund. Er balancierte auf den Schultern von Vater und Mutter, und unter ihnen sah er die Großeltern. Seine Vorfahren bildeten eine gewaltige, weit in die Tiefe reichende … ja, eine menschliche Pyramide, deren Fundament sich irgendwo unter den Wolken verbarg.
Das Murmeln gerufener Befehle und Anweisungen flüsterte zu Teppic empor.
Wenn du nichts unternimmst, haben wir nie gelebt.
»Dies ist nur ein Traum«, sagte er, trat einen Schritt zur Seite und fand sich in einem Palast wieder. Auf der steinernen Bank vor ihm saß ein Mann, der nur einen Lendenschurz trug. Er aß Feigen.
»Natürlich ist es ein Traum«, bestätigte der Fremde. »Die Welt ist der Traum des Schöpfers. Die Realität besteht aus verschiedenen Träumen. Angeblich überbringen sie irgendwelche Botschaften, zum Beispiel: Iß niemals Hummer, bevor du dich schlafen legst; er könnte im Traum aus dem Magen kriechen und dich in die Beine zwicken. Etwas in der Art. Sind dir bereits die sieben Kühe erschienen?«
»Ja«, sagte Teppic und sah sich um. Er hatte eine ziemlich gute Architektur
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