Pyramiden
Willenskraft, um real zu werden. Nun, Kamele sind seltsame Wesen.«
»Ja, allerdings.«
»Noch seltsamer als Götter. Stimmt was nicht?«
»Entschuldige«, sagte Teppic. »Ich bin nur ein wenig schockiert. Ich meine, ich dachte, wir seien auserwählt und adlig. Ich meine, auserwählter und adliger als alle anderen.«
Khuft zupfte einen Feigenrest zwischen zwei schwarzen Stummeln hervor, die hier in Ermangelung eines besseren Ausdrucks ›Zähne‹ genannt werden sollen. Dann spuckte er.
»Es liegt ganz bei dir«, sagte er und verschwand.
Teppic wanderte durch die Nekropolis, beobachtete Pyramiden, die eine sägezahnartige Silhouette vor dem Nachthimmel bildeten. Vor einem Nachthimmel, der aus dem gewölbten Leib einer Frau bestand. Am Horizont standen die Götter. Sie sahen nicht aus wie jene Götter, die man seit Jahrtausenden an Tempelwände malte. Sie sahen weitaus schlimmer aus. Sie sahen aus, als seien sie älter als die Zeit. Außerdem: Götter mischten sich nur selten in die Angelegenheiten normalsterblicher Menschen. Wahrscheinlich zogen sie es vor, sich im Himmel von hübschen göttlichen Dienstmädchen göttliche Weintrauben schälen zu lassen.
Sie schienen auf irgend etwas zu warten.
»Was kann ich schon tun?« fragte Teppic laut. »Ich bin doch nur ein Mensch.«
Nicht ganz, antwortete jemand.
Teppic erwachte und hörte das Krächzen der Möwen.
Alfons – er trug nun ein langärmliges Hemd und schien entschlossen zu sein, es nie wieder auszuziehen – half einigen anderen Männern dabei, die Segel der Namenlos zu entrollen. Er musterte Teppic, der auf einem Seil-Bett ruhte, und nickte einen wortlosen Gruß.
Sie stachen in See. Teppic setzte sich auf und beobachtete, wie der ephebische Kai in den grauen Morgen zurückwich.
Er stemmte sich in die Höhe, stöhnte, preßte beide Hände an den Kopf, nahm Anlauf und sprang über die Reling.
Heme Krona, Eigentümer des Mietstalls Hier Finden Sie die Besten Gebrauchten Kamele, ging langsam um Du Mistvieh herum und summte leise. Er prüfte die Knie, trat versuchsweise auf einen großen Plattfuß. Mit einer ruckartigen Bewegung, die Du Mistvieh völlig überraschte, öffnete er das Maul, betrachtete große gelbe Zähne – und sprang hastig zurück.
Er holte ein breites Brett aus der Ecke, griff nach einem Pinsel, überlegte kurz und malte: AUS ERSTER HAND.
Er überlegte noch etwas länger und fügte hinzu: NUR WENIGE MAILEN.
Heme Krona wollte gerade GUTER LOIFER schreiben, als Teppic hereinwankte und sich schnaufend an den Türrahmen lehnte. Schon nach wenigen Sekunden standen seine Füße in kleinen Pfützen.
»Ich bin gekommen, um mein Kamel zu holen«, keuchte er.
Krona seufzte.
»Gestern abend hast du gesagt, du seiest in einer Stunde zurück«, erwiderte er. »Ich muß dir einen ganzen Tag in Rechnung stellen. Außerdem noch ein Gründliches Abbürsten und Fußpflege. Der übliche Service. Das macht fünf Wüstentaler, in Ordnung, Emir?«
»Äh.« Teppic klopfte seine Taschen ab. »Weißt du, äh«, sagte er. »Ich bin in aller Eile aufgebrochen. Leider habe ich derzeit kein Bargeld dabei.«
»Macht nichts.« Krona blickte wieder auf das improvisierte Schild. »Wie schreibt man FIELE JAAHRE KARANTIEH?«
»Ich schicke dir das Geld, ganz bestimmt«, sagte Teppic.
Krona lächelte das müde Lächeln eines Mannes, der bereits alles gesehen hat: gurrende und miauende Esel, Elefanten mit Plastikstoßzähnen, Kamele mit aufgeklebten Höckern. Er kannte den manchmal viel zu verschmitzten Einfallsreichtum der menschlichen Seele, wenn es ums Geschäft ging.
»Klar doch, Radscha«, entgegnete er. »Wie wär’s, wenn du mir einen ungedeckten Scheck anbietest? Oder eine selbst hergestellte Kreditkarte? Vielleicht hast du zufällig einen Glasdiamanten dabei, hm?«
Teppic griff unter seinen Umhang.
»Ich könnte dir dieses wertvolle Messer überlassen«, sagte er.
»Tut mir leid, Emir. Ich ziehe anderes Metall vor. In Form von Münzen. Kein Geld, kein Kamel.«
»Und wenn ich dir den Dolch mit der Spitze zuerst gebe?« fragte Teppic verzweifelt. Eine derartige Drohung genügte, um aus der Gilde verbannt zu werden. Außerdem war es keine besonders gute Drohung. In der Assassinen-Schule fehlte das Unterrichtsfach Wie man den Besitzer eines Mietstalls für Kamele bedroht.
Krona nahm auf einem Strohballen Platz und winkte. Zwei große und recht kräftig gebaute Männer standen in der Nähe, entwickelten nun Interesse an den Geschehnissen im
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