Pyramiden
Gesicht war ein Bild für die Götter (vermutlich des Nachts von einem Künstler gemalt, der seine Inspiration per Rezept bezog). Dil folgte ihm mit hoch erhobenem Kopf. Er hatte immer auf eine steile Karriere im Diesseits gehofft, und jetzt befand er sich in königlicher – wenn auch toter – Gesellschaft.
In der Wüste herrschte mal wieder prächtiges Wetter. Dort herrschte immer prächtiges Wetter, vorausgesetzt natürlich, man verstand darunter Backofentemperaturen und Sand, auf dem man Kastanien rösten konnte.
Du Mistvieh lief schneller als sonst, hauptsächlich deswegen, um den Boden so selten wie möglich zu berühren. Als sie die ersten Hügel erreichten, weit jenseits der olivgrünen, von Feldern und Äckern gesäumten Oase, in der sich die Stadt Ephebe erhob, sah Teppic zurück und glaubte, auf dem blauen Ozean einen kleinen Fleck zu erkennen. Die Namenlos. Oder nur eine besonders hell glitzernde Welle.
Dann brachten Teppic und Mistvieh die felsigen Anhöhen hinter sich; gelbe und ockerfarbene Töne prägten die Landschaft vor ihnen. Eine Zeitlang wuchsen Büsche und Sträucher aus dem kargen Boden, aber schließlich setzte sich der Sand durch, bildete eine Düne nach der anderen.
Die Wüste war nicht nur heiß, sondern auch still. Es gab keine Vögel; nirgends erklangen das Gesäusel und Gemurmel organischer Geschöpfe, die emsig lebten. Des Nachts mochte man das Summen von Insekten hören, aber derzeit befanden sie sich in verborgenen Schlupfwinkeln und warteten dort auf einen abkühlenden Abend. Gelber Himmel und gelber Sand formten eine echofreie Kammer, in der Du Mistviehs Atem wie das Zischen einer Dampfmaschine klang.
Seit dem Verlassen des Alten Königreichs hatte Teppic viele Dinge gelernt, und jetzt erwartete ihn eine neuerliche Erfahrung. Alle Fachleute sind sich einig: Wenn man eine brütend heiße Wüste durchquert, sollte man besser einen Hut tragen.
Du Mistvieh verfiel in einen gemütlichen Trab. Jedes gute Renn-Kamel kann sich stundenlang auf diese Weise bewegen, ohne zu ermüden.
Nach einigen Meilen sah Teppic eine Staubwolke hinter der nächsten Düne. Eine halbe Stunde später näherten sie sich dem Gros der ephebischen Armee, und erstaunt beobachtete Teppic mehrere Kampf-Elefanten. Die Soldaten trugen federgeschmückte Helme und winkten fröhlich.
Kampf-Elefanten! Der junge Pharao und Absolvent der Assassinen-Schule stöhnte innerlich. Auch in Tsort setzte man Kampf-Elefanten ein. Kampf-Elefanten waren seit einiger Zeit sehr in Mode. Sie nützten kaum etwas – sah man einmal davon ab, daß sie in der Schlacht unweigerlich in Panik gerieten und die eigenen Truppen zerstampften –, aber die Militärstrategen auf beiden Seiten hatten beschlossen, noch größere Elefanten zu züchten. Besonders große Kampf-Elefanten seien besonders eindrucksvoll, behaupteten sie.
Aus irgendeinem Grund zogen die rekrutierten Rüsselwesen große, mit Bauholz beladene Wagen.
Teppic ritt weiter, während die Sonne immer höher stieg und dabei anzuschwellen schien, bis sie fast die Wüste berührte, was natürlich überhaupt nicht geschehen konnte, und dann zitterten blaue und purpurne Punkte über dem Horizont und …
Irgend etwas Seltsames bahnte sich an. Du Mistvieh lief über den Himmel, und in Teppics Ohren rauschte es.
Soll ich anhalten? dachte er. Nein, besser nicht. Sonst fällt das Kamel herunter. Und ich mit ihm.
Irgendwann am Nachmittag taumelte Du Mistvieh in den kochenden Schatten des Kalksteinvorsprungs, der einst den Rand des Tals gekennzeichnet hatte. Ganz langsam sank das Kamel in den Sand. Teppic rollte von seinem Rücken.
Einige Epheber starrten über die schmale Schlucht, und die gleiche Anzahl Tsortaner auf der anderen Seite erwiderte ihre Blicke. Gelegentlich hielt es der eine oder andere Soldat für erforderlich, mit dem Speer zu winken.
Als Teppic die Augen öffnete, starrte er in die fratzenhaften Bronzemasken ephebischer Krieger, die auf ihn herabsahen. Metallene Lippen lächelten mit verächtlichem Zorn. Glänzende Metallbrauen brachten wilde Entschlossenheit zum Ausdruck.
»Er kommt zu sich, Sarge«, sagte einer der Männer.
Ein Bronzegesicht – es sah aus wie die gestaltgewordene Wut der Elemente – schob sich näher heran und füllte Teppics Blickfeld.
»Wir sind ohne Hut unterwegs gewesen, nicht wahr, Söhnchen?« fragte es gutgelaunt. Die Stimme hallte ein wenig dumpf unter der Maske hervor. »Konntest es gar nicht abwarten, dem Feind zu begegnen,
Weitere Kostenlose Bücher