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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erwiderte Arthur.
    Teppic bewegte sich wie in Trance und streckte dem Vogel die Hand entgegen. Eine normale Möwe hätte sicher die Gelegenheit genutzt, den Daumen abzubeißen, aber dieses Geschöpf hüpfte auf den Arm und nickte zufrieden.
    Die Diebe nahmen das zum Anlaß, unruhig zu werden. Arthurs Lächeln stimmte sie keineswegs zuversichtlicher.
    »Ein hübscher Vogel«, sagte der Anführer in dem fröhlichen Tonfall eines Mannes, der seine Besorgnis nicht länger leugnen kann. Teppic streichelte die Möwe geistesabwesend.
    »Ich schlage vor, ihr geht jetzt«, sagte Arthur. Der Vogel gurrte leise – es klang irgendwie drohend – und breitete die Flügel aus, um das Gleichgewicht zu wahren. Eigentlich hätte er unbeholfen wirken sollen, aber statt dessen brachte sein Gebaren verborgene Kraft zum Ausdruck, als sei er die Reinkarnation eines Adlers. Die Möwe öffnete den Schnabel, offenbarte eine kleine purpurne Zunge – und gab zu erkennen, daß nicht nur Picknick-Brötchen auf ihrem Speisezettel standen.
    »Sicher ein magisches Wesen, wie?« fragte ein Dieb. Einer seiner Kollegen hielt ihm hastig die Hand auf den Mund.
    »Nun, es ist schon ziemlich spät«, sagte der Anführer. »Früh, meine ich. Entschuldigt bitte das Mißverständnis …«
    Teppic bedachte ihn mit einem warmen verträumten Lächeln.
    Dann hörten sie alle ein beharrliches Zischen. Sechs Köpfe drehten sich; sieben Augenpaare (Schelters befand sich bereits in der richtigen Position) sahen nach unten.
    Zwischen den Brückenpfeilern schwoll das Rinnsal des Ankh an, wuchs in die Breite und strömte über ausgedörrten, festgebackenen Schlamm.
     
    Dios, Premierminister und Hoherpriester unter Hohenpriestern, war nicht besonders religiös. Derartige Eigenschaften gereichten einem Hohenpriester eher zum Nachteil; sie beeinträchtigten die Objektivität, konnten sogar dazu führen, daß man unglaubwürdig wurde. Ein Hoherpriester, der an die eigenen Predigten glaubte, stellte seine beruflichen Qualifikationen in Frage.
    Was keineswegs heißen sollte, daß Dios etwas gegen den Glauben an sich hatte. Das Volk mußte von der Existenz göttlicher Entitäten überzeugt sein; andernfalls blieben die Tempel leer, und jeder Priester, der etwas auf sich hielt, verabscheute die Einsamkeit. Ja, Götter waren notwendig. Dios zog es nur vor, daß sie ihn in Ruhe ließen, damit er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern konnte.
    Glücklicherweise hatte ihn die Natur mit allen erforderlichen Dingen ausgestattet. Wenn einem die Gene eine hochgewachsene Gestalt gaben, einen kahlen Kopf und auch noch eine Nase, mit der man Granit pflügen konnte, so verfolgten sie ganz bestimmte Absichten.
    Dios’ Instinkte mißtrauten Menschen, denen die Religion zu leicht fiel. Derartige Personen neigten zu Wankelmütigkeit, wanderten in der Wüste umher und sahen Visionen – als ob sich die Götter zu so etwas herabließen. Darüber hinaus brachten sie nie etwas zustande. Irgendwann kamen sie auf den Gedanken, Rituale nützten überhaupt nichts. Dios wußte mit jener Art von felsenfester Sicherheit, auf der man ein ganzes Universum errichten konnte, daß die Götter von Djelibeby großen Gefallen an Ritualen fanden. Ein Gott, der keine Rituale mochte, war wie ein wasserscheuer Fisch.
    Der Hohepriester saß auf der Treppe vor dem Thron, legte sich den Amtsstab quer über die Knie und gab die Befehle des Pharaos weiter. Der Umstand, daß derzeit überhaupt kein Pharao existierte, der Anweisungen geben konnte, spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Dios nahm die Pflichten des Premierministers lange genug wahr (er vermied es, an die genaue Anzahl der Jahre zu denken), um zu wissen, welche Befehle ein vernünftiger Pharao erteilte; seine Lippen verkündeten nur königlichen Willen.
    Außerdem lag das Antlitz der Sonne auf dem Thron, und nur darauf kam es an. Es handelte sich um eine den ganzen Kopf umhüllende Maske aus massivem Gold, und der amtierende Herrscher trug sie bei öffentlichen Anlässen. Frevler mochten ihre starre Mimik mit der eines Mannes vergleichen, der an Verstopfung litt. Seit Tausenden von Jahren symbolisierte sie das Königtum in Djelibeby. Sie sorgte auch dafür, daß es schwerfiel, die einzelnen Pharaonen voneinander zu unterscheiden.
    Was ebenfalls eine wichtige symbolische Bedeutung hatte, an die sich allerdings niemand erinnern konnte.
    Von solchen Dingen wimmelte es im Alten Königreich. Zum Beispiel der Stab des Hohenpriesters: Symbolische

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