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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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etwas.«
    Das Gesicht des Hohenpriesters blieb völlig ausdruckslos. »Möglich, Gebieter.«
    »Ich schätze, die heiligen Krokodile müssen hungern.« Aber nicht sehr lange, dachte Teppic. Man gehe ans Ende einer der kleinen Anlegestellen am Ufer und lasse seinen Schatten auf den Fluß fallen – und beobachte, wie sich schlammbraunes Wasser in schlammbraune Schuppenkörper verwandelt. Die Krokodile sahen aus, wie halb vermoderte große Baumstämme; allerdings gab es einen wichtigen Unterschied: Baumstämme öffnen nicht plötzlich den Rachen, um einem das Bein abzubeißen. Sie dienten als königliche Müllabfuhr, Flußpatrouille und gelegentlich auch als Friedhof.
    Man konnte sie nicht einfach groß nennen. Wenn eins der größten Krokodile jemals auf den Gedanken gekommen wäre, sich gemütlich auf die Seite zu drehen, hätte es den Djel gestaut.
    Der Friseur verließ das Zimmer auf leisen Sohlen. Zwei Bedienstete kamen auf Zehenspitzen herein.
    »Ich habe die natürliche Reaktion des Gebieters vorweggenommen, Gebieter«, sagte Dios. Seine Stimme klang jetzt wie das leise Plätschern des Tropfwassers in dunklen Kalksteinhöhlen.
    »Ausgezeichnet«, entgegnete Teppic und inspizierte die für diesen Tag bestimmte Kleidung. »Und woraus besteht – ich meine, bestand – meine natürliche Reaktion?«
    »Sie haben eine gründliche Durchsuchung des Palastes befohlen, Gebieter. Zimmer für Zimmer.«
    »Völlig klar, Dios. Ich erinnere mich genau daran, eine solche Anweisung erteilt zu haben.«
    Mein Gesicht verrät überhaupt nichts, dachte er. Alle Muskeln sind genau dort, wo sie sein sollen. Nirgends hat etwas gezuckt. Ich bin völlig sicher. Meine Züge sind so steinern wie fester Stein. Sein durchdringender Blick durchdringt mich nicht.
    »Ja, Gebieter.«
    »Ich nehme an, inzwischen sind sie schon meilenweit entfernt«, sagte Teppic. »Wer auch immer ›sie‹ sein mögen. Die Verurteilte war doch nur ein Dienstmädchen, nicht wahr?«
    »Es ist völlig unvorstellbar, daß jemand Ihren königlichen Befehl mißachtet! Im ganzen Königreich gibt es niemanden, der es wagen würde, Ihnen nicht zu gehorchen, Gebieter! Die betreffenden Frevler müßten damit rechnen, ihre Seelen an den Seelenfresser zu verlieren! Ich sorge dafür, daß man die Ketzer verfolgt, Gebieter! Daß man sie verfolgt und der gerechten Strafe zuführt!«
    Die Diener hinter Teppic duckten sich unwillkürlich. Dies war mehr als nur gewöhnlicher Ärger. Es handelte sich um Zorn. Um echten, gut gelagerten, angemessen gereiften Zorn. Um einen Zorn, der heißer brannte als die Feuer der Verdammnis.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Dios?« fragte Teppic.
    Der Hohepriester hatte sich umgedreht und starrte über den Fluß. Die Große Pyramide war fast fertig. Ihr Anblick schien Dios zu beruhigen oder zumindest auf ein stabileres mentales Plateau zu heben.
    »Ja, Gebieter«, antwortete er. »Danke.« Er holte tief Luft. »Morgen, Gebieter, werden Sie beobachten, wie man den Schlußstein aufsetzt. Ein großartiges Ereignis. Natürlich dauert es noch eine Weile, bis alle Kammern ausgestattet sind.«
    »Gut. Gut. Ich glaube, heute morgen möchte ich meinen Vater besuchen.«
    »Das wird den verstorbenen Pharao sicher freuen, Gebieter. Es ist Ihr Wunsch, daß ich Sie begleite.«
    »Oh.«
     
    Im Multiversum gab es einige Dinge, an denen nicht einmal der Schöpfer etwas ändern konnte. Zum Beispiel verboten die Gesetze unausweichlicher Unveränderlichkeit einen guten freundlichen Großwesir. Offenbar erforderte dieser Beruf einen Hang zu Intrigen und Verschwörungen.
    Hohepriester neigten dazu, in die gleiche Kategorie zu fallen. Ihre Gesichter ermöglichen den Schluß, daß sie sofort nach dem Amtsantritt beginnen, seltsame Befehle zu erteilen. Anders ausgedrückt: Sie lassen Prinzessinnen an Felsen fesseln, damit auch umherziehende Ungeheuer ihren Spaß haben, und sie finden großen Gefallen daran, kleine Kinder ins Meer zu werfen.
    Nun, wer so etwas behauptet, macht sich der Verleumdung schuldig und muß mit einer harten Strafe rechnen. Die Wirklichkeit sieht so aus: Während der ganzen Geschichte der Scheibenwelt sind die meisten Priester ernste, fromme und gewissenhafte Männer gewesen, die mit großer Sorgfalt den Willen der Götter interpretierten. Manchmal ließen sie an nur einem Tag Hunderte von Menschen vierteilen, ans Rad schlagen oder bei lebendigem Leib die Haut abziehen, um ihre Opferbereitschaft zu zeigen.
     
    Der Sarkophag des verstorbenen

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