Qiu Xiaolong
Jäger«, sagte Yu lachend. »Und was machen wir mit unserem alten Kommissar Zhang?«
»Mit dem sollten wir uns morgen früh zusammensetzen.«
»Prima.« Yu hob sein randvolles Glas. »Auf unseren Erfolg.«
»Auf unseren Erfolg.«
Danach gelang es Oberinspektor Chen, sich die Rechnung von dem kleinen Tablett, auf dem sie präsentiert wurde, zu schnappen und für sie beide zu bezahlen. Die Inhaberin des Lokals stand lächelnd neben ihnen. Yu wollte sich vor ihr nicht mit Chen streiten. Sowie sie draußen waren, erklärte er, die Rechnung beliefe sich insgesamt auf ungefähr fünfundfünfzig Yuan, und er bestehe darauf, seinen Anteil zu bezahlen. Chen wies die angebotenen zwanzig Yuan zurück.
»Reden wir nicht mehr davon«, sagte er. »Ich habe von der Wenhui-Zeitung einen Scheck bekommen. Fünfzig Yuan für das kurze Gedicht über unsere Polizeiarbeit. Also ist es nur recht und billig, daß wir damit unser Mittagessen bezahlen.«
»Ja, ich habe es auf dem Fax gesehen, das Ihnen diese Journalistin von der Wenhui zugeschickt hat – wie heißt sie doch gleich? Es ist wirklich ein gutes Gedicht.«
»Oh, Wang Feng«, sagte Chen darauf. »Übrigens, als Sie über Pfirsichblütenglück geredet haben, hat mich das an ein Gedicht aus der Zeit der Tang-Dynastie erinnert.«
»Ein Gedicht aus der Zeit der Tang-Dynastie?«
»Diese Türe, dieser Tag / – Letztes Jahr, dein errötetes Gesicht, / Und die erröteten Gesichter / Der Pfirsichblüten, die deines spiegelten. / Diese Tür, dieser Tag /-- Dieses Jahr, ich kann dich nicht finden / Dich, in den Pfirsichblüten, / Die Pfirsichblüten, die hier / Noch lachen / Im Frühlingswind.«
»Stammt der Ausdruck aus diesem Gedicht?«
»Da bin ich nicht sicher, aber man sagt, daß dem Gedicht eine wahre Erfahrung des Dichters zugrunde liegt. Dem Dichter Cui Hu, der zur Zeit der Tang-Dynastie lebte, brach das Herz, als er seine Geliebte nicht sehen konnte, nachdem er in der Hauptstadt die Beamtenprüfung bestanden hatte.«
Das war typisch für Oberinspektor Chen: Mitten in den Ermittlungen in einem Mordfall schwärmte er begeistert von einem Gedicht aus der Tang-Dynastie. Vielleicht hatte Chen zuviel Bier getrunken. Vor einem Monat hätte Hauptwachtmeister Yu darin einen Beweis für die romantische Exzentrizität seines Vorgesetzten gesehen. Heute aber fand er es durchaus in Ordnung.
21
FÜR KOMMISSAR ZHANG war es ein fürchterlicher Tag gewesen.
Am frühen Morgen hatte er den Club Nr. 1 für alte Kader in Shanghai aufgesucht, um für einen Kampfgefährten ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen.
Der Club war als Nebenprodukt der Pensionierungspolitik für Kader entstanden, ein sichtbares Zeichen, daß sich die Partei weiterhin um die Revolutionäre der älteren Generation kümmerte. Die alten Kader befanden sich zwar im Ruhestand, aber sie hatten die Sicherheit, daß sie keine Einbußen ihres Lebensstandards befürchten mußten. Selbstverständlich war der Club nicht für alle Kader gedacht, sondern nur für solche von einem bestimmten Rang aufwärts.
In der ersten Zeit war Zhang ziemlich stolz auf seinen Mitgliedsausweis, der ihm unmittelbaren Respekt sowie eine Reihe von Privilegien verschaffte, die es anderswo nicht gab. Er hatte damit stark begehrte Produkte zu staatlichen Preisen kaufen, Ferien in Anlagen buchen, zu denen die breite Öffentlichkeit keinen Zutritt hatte, in bestimmten Restaurants speisen, deren Eingang von Türwächtern gehütet wurde, und in der riesigen Clubanlage schwimmen sowie Ball und Golf spielen können. Es gab auch einen kleinen gewundenen Bach, an dem die alten Leute den Nachmittag beim Angeln verbringen und in Erinnerungen an ihre besten Jahre schwelgen konnten.
In der letzten Zeit hatte Zhang den Club jedoch nicht oft besucht. Der Fahrdienst des Präsidiums wurde immer stärker eingeschränkt. Als pensionierter Kader mußte er einen Wagen schriftlich beantragen. Der Club war ziemlich weit entfernt, und es begeisterte ihn nicht gerade, den ganzen Weg dorthin in einem Bus dicht an dicht mit anderen zu stehen und angerempelt zu werden. An diesem Morgen nahm er ein Taxi.
In der Boutique des Clubs suchte Zhang nach einem repräsentativen Geschenk zu einem erschwinglichen Preis. Alles war zu teuer.
»Wie wär’s mit einer Flasche Maotai in einer Holzkiste?« schlug der Verkäufer vor.
»Was kostet das?« fragte Zhang.
»Zweihundert Yuan.«
»Ist das der staatliche Preis? Letztes Jahr habe ich eine für fünfunddreißig Yuan
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