Qiu Xiaolong
gekauft.«
»Es gibt keine staatlichen Preise mehr, Genosse Kommissar. Alles kostet Marktpreise. Wir haben im ganzen Land Marktwirtschaft«, fügte der Verkäufer hinzu, »ob es uns gefallt oder nicht.«
Es war nicht der Preis oder nicht nur der Preis. Was Zhang mehr als alles andere bestürzte, war die Gleichgültigkeit des Verkäufers. Es schien, als sei aus dem Club ein gewöhnlicher Gemüseladen geworden, in den jeder kommen konnte, und Kommissar Zhang mußte feststellen, daß er nur ein alter Mann mit wenig Geld war. Aber, so dachte Zhang, das war auch kein Wunder. Heutzutage galt nur Geld etwas. Die vom Genossen Deng Xiaoping auf den Weg gebrachten Wirtschaftsreformen hatten eine Welt geschaffen, in der sich Zhang nicht mehr zurechtfand.
Im Bus kam Zhang ein Gedanke, der ihn ein wenig tröstete. Er hatte seit seiner Pensionierung Unterricht in traditioneller chinesischer Landschaftsmalerei genommen. Er konnte eines seiner Bilder nehmen, es ordentlich rahmen lassen und seinem Kampfgefährten eine sinnvolle Überraschung machen.
Die Besprechung mit der Spezialabteilung erwies sich hingegen als äußerst unangenehm.
Oberinspektor Chen hatte den Vorsitz. Obwohl Kommissar Zhang der ranghöhere Kader war, hatte Chen in der Abteilung am meisten zu sagen. Chen bat ihn nicht oft um Rat – nicht so oft, wie er versprochen hatte. Chen hatte ihn gewiß nicht hinreichend über die Fortschritte bei den Ermittlungen auf dem lautenden gehalten.
Auch die Anwesenheit von Hauptwachtmeister Yu beunruhigte Zhang. Er hatte nichts gegen Yu, aber Zhang war der Ansicht, daß die politische Dimension des Falls einen einsatzfreudigeren Beamten erforderte. Zu seinem Kummer war Yu dank der unerwarteten Intervention von Oberinspektor Chen in der Abteilung geblieben. Hieran zeigte sich deutlicher als an allem anderen seine eigene Bedeutungslosigkeit.
Die Allianz zwischen Chen und Yu brachte ihn in eine ungünstige Position. Was Zhang jedoch wirklich Sorgen bereitete, war Oberinspektor Chens ideologische Zwielichtigkeit. Chen schien ein intelligenter junger Beamter zu sein, das mußte Zhang zugeben. Es schien ihm jedoch äußerst fraglich, ob Chen ein verläßlicher Sachwalter jenes Kurses war, für den die alten Kader gekämpft hatten. Zhang hatte versucht, einige Gedichte Chens zu lesen. Er verstand nicht eine einzige Zeile. Er hatte gehört, daß die Leute Chen als einen Avantgardisten beschrieben, der von der westlichen Moderne beeinflußt sei. Es war ihm auch zu Ohren gekommen, daß Chen eine romantische Beziehung zu einer jungen Journalistin unterhielt, deren Mann nach Japan desertiert war.
Während Zhang noch in Gedanken versunken war, beendete Oberinspektor Chen seine einführenden Worte und sagte mit ernster Stimme: »Das ist eine wichtige neue Richtung. Wir müssen unsere Ermittlungen fortsetzen, wie Kommissar Zhang gesagt hat, ohne Scheu vor Mühen und Tod.«
»Warten Sie, Genosse Oberinspektor« sagt Zhang. »Fangen wir noch einmal von vorne an.«
Chen mußte also noch einmal von vorn anfangen. Er begann mit seiner zweiten Durchsuchung von Guans Zimmer im Wohnheim, erzählte, wie ihm diese Fotos von ihr aufgefallen waren, und erwähnte die Daten der Telefonanrufe und dann die Reise in die Gelben Berge, was alles auf die Spur von Wu Xiaoming geführt hatte, der Guan nicht nur häufig angerufen. sondern sie auch auf der Reise begleitet hatte. Nach Chens Rede informierte Yu die Anwesenden über das Gespräch, das sie am Vortag mit Wu Xiaoming geführt hatten. Weder Chen noch Yu drangen auf bestimmte Schlußfolgerungen, es lag jedoch auf der Hand, in welche Richtung die Ermittlungen gingen, und das schienen sie ganz normal zu finden.
Zhang war erstaunt. »Wu Xiaoming!«
»Ja, der Sohn des Genossen Wu Bing.«
»Sie hätten mir die Bilder eher zeigen sollen«, sagte Zhang.
»Ich habe daran gedacht«, erklärte Chen, »aber sie hätten auch eine weitere falsche Spur sein können.«
»Wu ist also Ihr Hauptverdächtiger?«
»Ja, deshalb habe ich um die heutige Sitzung gebeten.«
»Warum haben Sie Ihre Vernehmung nicht vorher mit mir abgesprochen, ich meine, bevor Sie zu Wus Haus gingen?«
»Wir haben versucht, Sie gestern morgen gegen sieben Uhr früh zu erreichen, Genosse Kommissar«, sagte Yu.
»Oh, da habe ich meine Tai-Chi-Übungen gemacht«, entgegnete Zhang. »Hätten Sie nicht ein paar Stunden warten können?«
»In einem so wichtigen Fall?«
»Was wollen Sie als nächstes tun?«
»Hauptwachtmeister Yu wird
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