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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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aus den frühen fünfziger Jahren, die jetzt ihre Farbe verloren hatten, schmutzig und kümmerlich aussahen.
    Es war herrliches Wetter. Der blaue Himmel über ihnen schien das heruntergekommene Aussehen der kleinen Seitenstraße, durch die sie schweigend gingen, zu verändern. Eine Frau mittleren Alters nahm an einem moosbedeckten öffentlichen Spülbecken Reisfeld-Aale aus, die in einem Eimer lagen. Chen verlangsamte seine Schritte, und auch Yu blieb stehen, um zuzusehen. Nachdem die Frau einen Aal fest wie eine Peitsche gegen den Betonboden geschlagen hatte, spießte sie seinen Kopf auf einen dicken Nagel, der aus einem Brett hervorragte, zog ihn stramm, schlitzte den Bauch auf, entnahm die Gräten und Innereien, hieb den Kopf ab und schnitt den Körper geschickt in Stücke. Vielleicht verkaufte sie Aale auf einem Markt in der Nähe und verdiente etwas Geld damit. Ihre Hände und Arme waren von Aalblut überströmt und ihre bloßen Füße ebenfalls. Die abgehackten Köpfe der Aale lagen wie scharlachrot angemalte Zehen verstreut um ihre nackten Füße herum.
    »Keine Frage.« Yu blieb abrupt stehen. »Der Kerl ist der Mörder.«
    »Sie haben ihn gut in die Mangel genommen, Genosse Junger Jäger«, sagte Chen.
    »Danke, Chef«, sagte Yu, erfreut über das Lob und den neuen Spitznamen, den sein Vorgesetzter erfunden hatte.
    Am Ende der Seitenstraße erblickten sie einen schäbigen Schnellimbiß.
    »Riechen Sie den Curry?« Begierig sog Chen die Luft ein. »Ich habe so einen Hunger.«
    Yu nickte zustimmend.
     
    Als sie den Bambusvorhang beiseite schoben, fanden sie einen überraschend sauberen Innenraum vor. Es gab nur drei Tische mit Resopalplatten, auf denen weiße Tischtücher lagen. Auf jedem Tisch befanden sich ein Bambusbecher mit Stäbchen, ein Gefäß aus Edelstahl mit Zahnstochern und eine Flasche mit Sojasauce. Auf einem mit der Hand geschriebenen Poster standen die wenigen Gerichte, kalte Nudeln, kalte Dampfnudeln, ein paar kalte Gerichte, aber in einem großen Topf brodelte die Rindersuppe mit Curry. Es war Viertel nach zwei, spät für Kunden, die zu Mittag essen wollten, so daß sie allein waren. Aus der nach hinten liegenden Küche tauchte eine junge Frau auf. Sie wischte sich ihre mehlbedeckten Hände an einer mit Jasminblüten bestickten Schürze ab, wobei auf ihrem lächelnden Gesicht ein weißer Fleck zurückblieb. Sie war wohl die Inhaberin, aber auch Serviererin und Küchenchefin in einer Person. Während sie die beiden späten Gäste an einen Tisch geleitete, empfahl sie die Tagesspezialitäten. Dann brachte sie ihnen eine Literflasche eisgekühltes Bier auf Kosten des Hauses.
    Nachdem sie die Papierumhüllung von ihren Bambusstäbchen entfernt und die Suppe ihrer Gäste mit einer großzügigen Portion Currysauce gewürzt hatte, entschwand die Inhaberin in die Küche.
    »Ein ungewöhnliches Lokal für diese Gegend«, sagte Chen und kaute die Erbsen mit Anisgeschmack, während er Yu Bier eingoß.
    Yu nahm einen großen Schluck und nickte zustimmend. Das Bier war so kalt, wie es sich gehörte. Der geräucherte Fischkopf schmeckte auch. Der Tintenfisch hatte die richtige Konsistenz.
    Shanghai war wirklich eine Stadt, die wundervolle Überraschungen barg, sowohl in den prächtigen Hauptstraßen wie auch in kleinen Seitenstraßen. Shanghai war eine Stadt, in der es für Menschen aus allen Sphären des Lebens etwas Schönes zu entdecken gab, selbst an einem schäbig aussehenden, billigen Ort wie diesem.
    »Was glauben Sie?«
    »Wu hat sie umgebracht«, wiederholte Yu. »Da bin ich ganz sicher.«
    »Vielleicht, aber warum?«
    »Es ist so offensichtlich. Wie er auf unsere Fragen geantwortet hat.«
    »Sie meinen, wie er uns ins Gesicht gelogen hat?«
    »Kein Zweifel. So viele Lücken in seiner Geschichte. Aber es ist nicht nur das. Wu hatte sofort für alles eine Erklärung parat – etwas zu rasch, ist Ihnen das nicht aufgefallen? Das klang nach Planung, nach vorheriger Probe. Eine einfache heimliche Affäre wäre diese ganze Anstrengung nicht wert gewesen.«
    »Da haben Sie recht«, sagte Chen und trank von sei nem Bier. »Aber welches Motiv könnte Wu haben?«
    »Vielleicht war jemand anderes aufgetaucht? Ein anderer Mann? Wu wurde wahnsinnig vor Eifersucht.«
    »Das ist möglich, doch nach den gespeicherten Telefonaten kamen fast alle Telefonanrufe, die Guan in den letzten Monaten erhielt, von Wu«, entgegnete Chen. »Außerdem ist Wu ein ehrgeiziger Prinzling, der eine vielversprechende Karriere vor

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