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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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sie wissen.
    »Ich habe keinen Hunger«, antwortete er. In Wirklichkeit befürchtete er, daß das Essen nicht für sie beide ausreichen würde.
    »Sie sind so romantisch«, sagte sie.
    »Wirklich?« Für einen Polizeibeamten, dachte er, war das ein sonderbares Kompliment.
    Etwas stieß unter dem Tisch an sein Knie. Während es langsam höher kroch, wurde ihm klar, daß es ihr nackter Fuß war. Sie hatte die Schuhe abgestreift. Er umfaßte ihr Bein an der dünnsten Stelle. Sanft setzte er ihren Fuß wieder auf den Boden.
    Wie hatte doch Konfuzius gesagt? »Das Essen und das Sichbegatten liegen in der Natur des Menschen.«
    »Wie wäre es mit einem Spezialdessert?« erkundigte er sich.
    »Nein danke.«
    Sie teilten sich die Stücke einer Mandarine und nippten am Jasmintee – eine freundliche Empfehlung des Hauses.
    »letzt bin ich aber satt!« sagte sie. »Sie können mit den Fragen loslegen. Aber verraten Sie mir zuerst, wie Sie mich hier gefunden haben.«
    »Ganz einfach, ich habe Ihre Mutter aufgesucht. Sie hat keine Ahnung, was Sie in Guangzhou treiben. Sie macht sich große Sorgen.«
    »Sie macht sich ständig um irgend etwas Sorgen, das war schon immer so.«
    »Ich glaube, sie ist enttäuscht, daß Sie nicht auf ihren Spuren wandeln.«
    »Auf ihren Spuren, von wegen«, sagte Xie Rong. »Mein lieber Genosse Oberinspektor, wie können Sie gegen Menschen ermitteln, ohne die Veränderungen in unserer Gesellschaft zu bemerken? Wer interessiert sich denn heute noch für Literatur?«
    »Ich zum Beispiel. Ich habe sogar eine Sammlung der Aufsätze Ihrer Mutter gelesen.«
    »Ich rede nicht von Ihnen. Sie sind ganz anders, da hat der Alte Ouyang schon recht.«
    »Ist das wieder so eines Ihrer falschen Komplimente?«
    »Nein, ich meine das ernst«, sagte sie. »Was meine Mutter angeht, so hänge ich an ihr. Sie hat kein leichtes Leben gehabt. Ihren Doktor hat sie in den Vereinigten Staaten gemacht. Und was passiert, als sie Anfang der fünfziger Jahre zurückkommt? Erst hat man sie als Rechte abgestempelt und dann, Anfang der sechziger Jahre, als Konterrevolutionärin. Erst nach der Kulturrevolution durfte sie wieder unterrichten.«
    »Aber dafür unterrichtet sie jetzt an einer renommierten Universität.«
    »Wieviel kann sie denn mit ihrer vollen Dozentenstelle an der Fudan-Universität im Monat verdienen? Weniger, als ich als Reiseleiterin in einer Woche verdient habe.«
    »Geld ist nicht alles. Hätte es das Schicksal gewollt, so hätte ich Vergleichende Literaturwissenschaft studiert.«
    »Danken Sie dem Himmel dafür, daß es das Schicksal anders gewollt hat.«
    »Das Leben behandelt die Menschen vielleicht ungerecht, was sich besonders von der Generation Ihrer Mutter sagen läßt, doch haben wir Grund zu der Annahme, daß es in der Zukunft nicht ganz so schlecht aussehen wird.«
    »Für Sie vielleicht nicht, Genosse Oberinspektor. Und ein Dankeschön auch für Ihre politischen Belehrungen«, erwiderte sie. »Ich denke, Sie sollten jetzt mit Ihren Fragen anfangen.«
    »Einige Fragen sind möglicherweise schwierig. Doch was immer Sie auch antworten, es wird vertraulich behandelt werden, das verspreche ich Ihnen.«
    »Ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß – nach dem Essen, das Sie mir spendiert haben …«
    »Bevor Sie nach Guangzhou gingen, haben Sie als Reiseleiterin gearbeitet.«
    »Ja. Den Job habe ich erst kürzlich an den Nagel gehängt.«
    »Haben Sie auf einer Reise in die Gelben Berge einen Mann namens Wu Xiaoming kennengelernt?«
    »Wu Xiaoming? Ach ja, ich erinnere mich an ihn.«
    »Er hatte eine Freundin, die ihn auf der Reise begleitete, richtig?«
    »Ja«, sagte sie, »doch das wußte ich anfangs nicht.«
    »Wann haben Sie davon erfahren?«
    »Am zweiten oder dritten Reisetag. Aber warum fragen Sie das, Genosse Oberinspektor? Wollen Sie mir erzählen, daß Sie deshalb nach Guangzhou gekommen sind?«
    »Sie ist im Mai ermordet worden.«
    »Was!?«
    Er zog aus seiner Brieftasche ein Foto. Sie nahm es und hielt es mit zitternden Fingern fest.
    »Ja, das ist sie.«
    »Das war Guan Hongying, eine nationale Modellarbeiterin, und Wu Xiaoming ist unser Tatverdächtiger. Was Sie über die beiden wissen, kann also möglicherweise sehr wichtig sein.«
    »Bevor ich irgend etwas sage«, sagte sie und sah dabei erst in das Glas in ihrer Hand und dann zu ihm hoch, »möchte ich, daß Sie mir eine Frage beantworten.«
    »Bitte.«
    »Sie wissen, aus welcher Familie er kommt?«
    »Natürlich, das ist mir

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