Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
Vom Netzwerk:
zukommen zu lassen? Sie sah, wie eine Kellnerin mit ihm sprach. Chen hörte aufmerksam zu und wechselte dann einige Worte mit dem amerikanischen Ehepaar. Beide nickten zustimmend. Zu Peiqins Überraschung steuerte Professor Rosenthal ihren Tisch an, gefolgt von Chen, der für ihn dolmetschte.
    »Hätten Sie Lust, mit uns in einem Nebenzimmer Karaoke zu singen?«
    »Wie bitte?«
    »Professor Rosenthal meint, daß wir einen Partner für das Karaoke brauchen«, erläuterte Chen. »Er sagt auch, daß Sie so schön Englisch sprechen.«
    »Aber ich bin doch noch nie auf einer Karaoke-Party gewesen! Und ich kann auch nur ein paar ganz einfache Sätze auf englisch«, erwiderte sie.
    »Das macht nichts«, sagte Chen. »Ich werde für Sie dolmetschen. Und im Nebenzimmer sind wir unter uns.«
    Schon früher waren ihr einige Bambushütten aufgefallen, die eine Seite des Saals säumten. Sie hatte sie für Dekorationen im Dai-Stil gehalten. In Wirklichkeit waren das die »Nebenzimmer«.
    Die Hütte, in die sie sich begaben, war mit einem luxuriösen Teppich ausgelegt; an der Wand gab es Anschlüsse für Fernseher und Videogerät; auf einem Beistelltischchen neben den Ledersofas standen zwei Mikrofone und auf dem Tisch eine Schale mit Obst.
    »Das muß doch sehr teuer sein, dieses Nebenzimmer und das ganze Drumherum«, sagte Peiqin. »Müssen Sie das bezahlen?«
    »Ja, teuer ist es«, sagte Chen, »aber es gehört zum Besuchsprogramm der Delegation und geht auf Staatskosten.«
    »Wir machen das zum erstenmal«, sagte Professor Rosenthal. »In Japan soll Karaoke sehr populär sein, wie man uns erzählt hat. Hier scheint es genauso beliebt zu sein.«
    »Das hat etwas mit unserer Kultur zu tun«, sagte Chen. »Wir würden es für zu aufdringlich halten, uns ohne etwas Musik im Hintergrund vor anderen Leuten zu produzieren.«
    »Oder vielleicht singen wir auch nicht gut genug«, warf Peiqin ein und wartete darauf, daß Chen dolmetschte, »aber mit der Hintergrundmusik macht es nicht soviel aus.«
    »Ja, das gefällt mir besser – ich singe auch nicht gerade wie eine Lerche«, meinte Mrs. Rosenthal.
    Eine Kellnerin brachte ihnen eine Liste mit den Titeln chinesischer und englischer Lieder; unter jedem Titel stand eine Nummer. Man brauchte nichts weiter zu tun, als diese Zahl über eine Fernbedienung einzugeben. Chen wählte für die Rosenthals verschiedene Lieder aus, die sie im Duett singen konnten.
    Als Peiqin und Chen sich wieder einmal über die Titelliste beugten und sich den Anschein gaben, als debattierten sie eifrig über ihre Wahl, konnte Peiqin dem Oberinspektor endlich eine Kopie des Benzinbezugsscheins sowie die Kassetten zustecken, auf denen Yus Gespräche mit dem Tankwart Yang Shuhui und mit Jiang und Ning festgehalten waren.
    Chen hörte sich ihre Schilderung aufmerksam an, notierte sich etwas auf eine Serviette und sagte: »Bitten Sie Yu, vor Ablauf der Konferenz keinerlei Schritte mehr zu unternehmen. Ich werde mich um die Sache kümmern, sobald ich mit diesem Auftrag hier fertig bin.«
    »Yu möchte, daß Sie sehr vorsichtig sind.«
    »Das werde ich auch«, erwiderte Chen. »Geben Sie diese Informationen an niemanden weiter. Auch nicht an Parteisekretär Li.«
    »Gibt es sonst etwas, was ich in der Zwischenzeit tun könnte? Der Alte Jäger möchte auch gerne mitmischen. Man hat dem Alten vorübergehend wieder eine Aufgabe zugewiesen – bei der Verkehrskontrolle. Jetzt patrouilliert er durch die Straßen statt über die Märkte.«
    »Nein, unternehmen Sie nichts! Weder Sie noch der Alte Jäger. Das ist zu – gefährlich«, warnte Chen. »Sie haben ohnehin schon so viel getan. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen jemals danken kann.«
    »Aber das müssen Sie doch nicht«, erwiderte sie.
    »Lu wird jetzt wahrscheinlich öfter in Ihr Restaurant kommen, als Feinschmecker, dem es Ihre Nudeln angetan haben.«
    »Wir haben viele Stammgäste. Ich weiß, wie man einen Gast wie ihn behandelt.«
    Wieder wurde ihr Gespräch abrupt unterbrochen. Professor Rosenthal warf einen bedeutungsvollen Blick auf seine Uhr. Die Amerikaner hätten am nächsten Tag ein dichtes Besuchsprogramm, erläuterte Chen.
    Und so verließen sie das »Nebenzimmer«.
    Die Menschen waren im Aufbruch begriffen. Auch Yu war schon gegangen. Vielleicht war es ihm unangenehm gewesen, mitzuerleben, wie gut seine Frau bei anderen Männern ankam – zum Beispiel bei seinem Chef und bei dem älteren Herrn aus Amerika.
    Peiqin verabschiedete sich von Oberinspektor

Weitere Kostenlose Bücher