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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Mädchen mit einem dünnen Pferdeschwanz, der mit einem Gummiband zusammengehalten wurde. In ihrer Klasse hatte sie zwar immer zu den Besten gehört, doch oft hatten sie die Kinder aus den Arbeiterfamilien gehänselt. Eines Morgens hatten mehrere kleine Rotgardisten versucht, ihr den Pferdeschwanz abzuschneiden. Das ging wirklich zu weit. Yu trat dazwischen und gebot ihnen Einhalt – als Sohn eines Polizeibeamten genoß er eine gewisse Autorität bei den Kindern im Viertel.
    Erst im letzten Jahr der Mittelschule passierte dann etwas, das die beiden zusammenführte. Anfang der Siebziger nahm die Kulturrevolution eine dramatische Wende: Der Vorsitzende Mao begann, die Roten Garden, seine ehemals glühenden jungen Anhänger, als Hindernis bei der Festigung seiner Macht zu betrachten. Deshalb schickte er sie – damals als »gebildete Jugendliche« bezeichnet – aufs Land, wo sie sich von »armen und unteren Mittelbauern umerziehen lassen« sollten.
    Die jungen Leute sollten aus den Städten verschwinden, damit sie dort keine Unruhe stifteten. Eine nationale Kampagne wurde gestartet, überall ertönten Trommeln und Gongs, Millionen junger Leute folgten leichtgläubig Maos Aufruf und zogen aufs Land, weit weg in die Provinzen Anhui, Jiangxi, Hei-longjiang, in die Innere Mongolei, an die Grenzen im Norden, im Süden …
    Yu Guangming und Jing Peiqin waren zwar eigentlich zu jung für die Roten Garden, wurden aber ebenfalls mit dem Stempel »gebildete Jugendliche« versehen, obwohl sie noch nicht sehr viel Bildung genossen hatten – ihr wichtigstes Lehrbuch war bislang der glänzende rote Band mit den Worten des Vorsitzenden Mao gewesen. Sie wurden zu einem großen Betrieb geschickt, der der Armee unterstand und in der Provinz Yunnan an der südlichen Grenze Chinas zu Burma lag.
    Am Abend vor ihrer Abreise stattete Peiqins Mutter Yus Eltern einen Besuch ab. Die beiden Familien führten ein langes Gespräch. Am nächsten Morgen kam Peiqin vorbei, und ihr Bruder, der beim Stahlwerk Nummer 1 als Lastwagenfahrer arbeitete, brachte die beiden zum Nordbahnhof. Sie saßen hinten auf der Ladefläche des Lastwagens und blickten sich an. Dann starrten sie auf die jubelnde Menge, hielten sich an den zwei Koffern fest, die ihre sämtlichen Habseligkeiten bargen, und sangen ein Lied, das der Vorsitzende Mao geschrieben hatte: Geht aufs Land, geht an die Grenzen, geht dorthin, wo unser Vaterland uns am meisten braucht…
    Ihre Verlobung war mehr oder weniger über ihre Köpfe hinweg arrangiert worden, doch Yu nahm es hin, ohne weiter darüber nachzudenken. Ihre Familien wünschten sich eben, daß die beiden Sechzehnjährigen, die Tausende von Meilen weggeschickt wurden, füreinander sorgten. Und Peiqin war zu einem hübschen jungen Mädchen herangewachsen, schlank und fast so groß wie er. Im Zug saßen sie schüchtern nebeneinander. Sie sorgten in der Fremde tatsächlich füreinander, es blieb ihnen gar nichts anderes übrig.
    Der Armeebetrieb lag versteckt in einer völlig abgelegenen Region in Jinghong, Xishuangbanna, in den Tiefen der südlichen Provinz Yunnan. Die meisten der dort lebenden armen und unteren Mittelbauern gehörten der Minderheit der Dai an. Sie hatten eine eigene Sprache und eigene kulturelle Traditionen, an denen sie festhielten. Zum Schutz vor dem feuchten, sumpfigen Boden lebten sie in Bambushütten, die auf soliden Pfählen standen; unter den Hütten lebten ihre Schweine und Hühner. Die gebildeten Jugendlichen hingegen hausten in feuchten, stickigen Armeebaracken. Von den Dai konnten sie sich keinerlei Bildung erhoffen. Einiges lernten sie dennoch von ihnen, wenn auch kaum das, was der Vorsitzende Mao im Sinn gehabt haben mochte. So übernahmen sie von den Dai zum Beispiel deren Vorstellung von der romantischen Liebe. Am fünfzehnten Tag des vierten Monats im chinesischen Mondjahr wurde das Wasserfest gefeiert. An diesem Tag sollten der Schmutz, der Tod und die Dämonen des vergangenen Jahres fortgespült werden. Daneben bot das Fest den jungen Mädchen auch die Gelegenheit, ihren Liebsten ihre Zuneigung zu zeigen, indem sie diese mit Wasser begossen. Der jeweilige Auserwählte kam daraufhin nachts zur Hütte seines Mädchens und sang und tanzte unter ihrem Fenster. Wenn sie ihm die Tür öffnete, konnte er in dieser Nacht in ihr Bett steigen.
    Yu und Peiqin waren anfangs ziemlich entsetzt, lernten aber rasch. Was blieb ihnen anderes übrig? Sie brauchten in diesen Jahren einfach die Gesellschaft des anderen;

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