Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
stieß einen dramatischen
Seufzer aus. »Klar — dann bräuchte ich nur mit einem Mann herumzuhuren statt
mit hundert!«
»Frodine!«
»Wieso, es ist doch wahr«,
entgegnete sie und schaute ihn anklagend aus ihren großen, schwarzen Augen an.
»Oder?«
»Nein«, widersprach er mechanisch,
während er das kochende Wasser in die Teekanne goß. »Nein, das ist es nicht. Es
gibt eine Menge netter junger Männer auf dem Berg, die entzückt wären, eine so
hübsche junge Frau wie Sie zu haben. Vorausgesetzt natürlich, Sie würden sich
vorher ein bißchen säubern.«
Frodine seufzte. »Versuchen Sie doch
mal, in einem Bach zu baden oder in einer Pferdetränke!«
»Es gab Zeiten in meinem Leben, da
wäre ich froh gewesen, es tun zu können«, erwiderte er und dachte an seine Zeit
im Gefangenenlager der Unionsarmee.
»Werden Sie mich zu meinem Vater
zurückbringen?«
»Nein. Aber falls er Sie hier sucht,
kann ich Sie nicht festhalten«, erwiderte Joe. Dem herrschenden Gesetz nach
besaß niemand das Recht, über die Tochter eines anderen Mannes zu verfügen.
Tränen glitzerten in Frodines großen
dunklen Augen. »Bitte«, sagte sie leise. »Sie müssen mir helfen!«
Joe seufzte. Ohne den Tee
auszuschenken, stand er auf und holte den Waschzuber vom Hof, stellte ihn auf
den Küchenboden und ergriff zwei leere Eimer.
»Na schön«, sagte er ergeben. »Aber
zuerst müssen Sie ein Bad nehmen, damit ich es ertragen kann, mich im gleichen
Raum mit Ihnen aufzuhalten.«
Als der Waschzuber halb gefüllt war,
setzte Joe zwei Eimer mit Wasser auf den Herd. Frodine würde zwar kein heißes
Bad bekommen, aber zumindest war das Wasser nicht mehr eisig kalt.
Sie steckte einen schmutzigen Finger
in die Wanne und zuckte zusammen. »Um Himmels willen, Joe, das ist so kalt, daß
ich glatt darin erfrieren würde!«
Ohne etwas darauf zu erwidern, holte
er ein Stück Seife. »Können Sie Ihren Namen schreiben, Frodine?«
Bedauernd schüttelte sie den Kopf.
»Nein. Und lesen kann ich auch nicht.«
»Dann sollten Sie zur Schule gehen.
Ich kenne eine Dame, die Sie unterrichten würde.«
Frodine schnaubte verächtlich.
»Schule? Schule? Sind Sie blind, Doktor? Ich bin fast zwanzig Jahre alt!
Und wozu soll es gut sein, das Schreiben und Lesen zu erlernen?«
Joe holte ein frisches Handtuch und
legte es zu der Seife. »Jeder Mensch sollte diese Dinge beherrschen. Sie helfen
einem, für sich selbst zu sorgen.«
Frodine ballte die Faust. »Das kann
ich auch so!«
Er nickte. »Deshalb haben Sie sich
wohl wie ein entsprungener Sträfling in meinem Klosetthäuschen versteckt.«
Frodines Augen wurden zunächst groß,
dann schmal. »Ich hatte Angst, daß Pa mir den Hund nachjagen würde. In Ihrem
Klohäuschen, dachte ich, würde der alte Homebrew die Spur verlieren. Aber es
ist ja noch ganz neu und stinkt noch nicht genug.«
»Danke«, sagte Joe und verkniff sich
ein Grinsen. Er hatte Hühnerdreck gesehen, der sauberer war als dieses Mädchen,
und doch hatte sie etwas Erfrischendes an sich wie eine kühle Brise an einem
heißen Sommerabend.
Frodine schaute sich neugierig um,
und es war offensichtlich, daß sein bescheidenes Heim ihr wie ein Paradies
vorkam. »Wo ist Ihre Frau?«
»Ich habe keine«, antwortete er und
räusperte sich schnell, weil die Worte eine Spur zu heiser klangen.
»Oh. Dann haben Sie niemanden, der
für Sie kocht und das Haus in Ordnung hält?«
Joe prüfte die Temperatur des
Wassers auf dem Herd. »Ich kümmere mich gern selbst um alles.«
Frodine schüttelte den Kopf. »Kein
Mann kann das. Es ginge gegen die Natur.«
Joe zog seine Taschenuhr und stellte
fest, daß es fast Mitternacht war. Er fragte sich, ob Lydia schon schlafen
mochte oder mit ihrem Mann beschäftigt war. In beiden Fällen wollte er sie
nicht gern stören, aber er brauchte Hilfe.
»Sie steigen in die Wanne, wenn ich
fort bin, und waschen sich gründlich. Ich beschaffe Ihnen saubere Kleider und
ein Nachthemd.«
Frodine schluckte. »Sie verlangen
doch nicht, daß ich bade, weil Sie mich hinterher mißbrauchen wollen?«
»Nein«, erwiderte Joe leise, bemüht,
sein Mitleid zu verbergen. »Ich werde Sie nicht belästigen, Frodine. Ich will
Ihnen nur helfen.«
Sie öffnete bereits die Knöpfe an
ihrem Kleid, als er durch die Hoftür hinausging und resolut die Richtung zu
Lydias kleinem Haus einschlug. Zu seiner großen Erleichterung brannte noch
Licht im Wohnzimmer.
Um Lydia nicht zu erschrecken,
verursachte er absichtlich Geräusche auf der
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