Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
befreien, die er für schlecht hielt. Und doch hatte sie sich
trotz allem mehr erhofft als diese grimmige Verachtung.
»Du hast es für Brigham getan«,
hatte sie gesagt, aber nicht, um sein Mitgefühl zu erregen, sondern als bloße
Feststellung.
»Und für Lydia«, hatte Devon kalt
erwidert. »Jetzt hast du den Namen, das Warenhaus und kannst von mir aus auch
ganz Quade's Habor haben! Auf mich wartet ein Boot am Hafen.«
Polly schluckte. »So bald willst du
schon fort?«
Sein Blick war hart, kalt, brutal.
»Wäre es dir lieber, wenn ich bliebe und diese Ehe vollzöge, Polly?« erkundigte
er sich gedehnt. »Wenn ja, dann vergiß es lieber. Ich bin überzeugt, daß
Brigham und Lydia es der Lage entsprechend schon ausreichend tun. Auf
Wiedersehen, Polly.«
Mit diesen Worten wandte er sich zur
Tür, schon recht geschickt, trotz seiner Krücke, und Polly wünschte plötzlich,
er hätte auch eine derartige Entschlossenheit aufgebracht, um ihr zu verzeihen und
sie zu Lieben.
Sie sprang auf, als die Tür
zuschlug, aber dann ließ sie sich kraftlos in den Sessel zurücksinken.
Wenn sie Devon gebeten hätte zu
bleiben, hätte sie nichts als Spott geerntet, und das wäre über ihre Kräfte
gegangen. Aus diesem Grund blieb sie sitzen und trauerte still um ihren Mann,
der fortgegangen war und vielleicht nie wieder zurückkehrte.
Erst viele Stunden später legte sie
sich endlich die Hände vors Gesicht und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Joe McCauley stand am Kai und starrte
auf das dunkle Wasser hinaus, in dem sich die glitzernden Sterne spiegelten.
Niemals, außer vielleicht in jenen schrecklichen Tagen im Lazarett und nachdem
er vom Tod seiner Frau und seiner Kinder erfahren hatte, hatte ihn je eine
derartige Hoffnungslosigkeit beherrscht.
Er war grenzenlos enttäuscht, aber
er war ein vernünftiger Mann und wußte, daß Lydia glücklich war. Zumindest
heute nacht. Und das hätte er ihr nicht nehmen mögen.
Er zog einen Zigarillo aus seiner
Rocktasche, zündete ihn an und sog tief den Rauch ein. Daß der Tabak seiner
Gesundheit nicht förderlich war, wußte er, aber in dieser Nacht brauchte er
Trost.
Wahrscheinlich hätte niemand ihm
verübelt, wenn er jetzt seine Sachen gepackt und Quade's Harbor verlassen
hätte. Aber sein Haus und seine Praxis befanden sich bereits im Bau, und zum
ersten Mal seit langer Zeit besaß er etwas, worauf er sich freuen konnte —
sogar ohne Lydia.
Seufzend zog er an dem Zigarillo.
Vielleicht war es gar keine echte Liebe gewesen, die er für sie empfunden
hatte, sondern Dankbarkeit, weil sie während des Krieges seinen Arm gerettet
hatte. Oder bloße Freundschaft, weil Lydia der lebende Beweis war, daß es
irgendwo eine den Menschen freundlich gesinnte Gottheit geben mußte ...
Er warf den Zigarillo ins Wasser und
wandte sich zu dem großen Haus auf dem Hügel um. »Sei glücklich, Lydia«,
flüsterte er rauh.
Siebzehn
Als Lydia am Morgen nach ihrer Hochzeit
erwachte, war der einzige Raum der Hütte in helles Sonnenlicht getaucht. Sie
seufzte glücklich, räkelte sich und drehte sich um, in der Annahme, ihren Mann
neben sich zu finden.
Doch Brigham war schon aufgestanden
und voll angekleidet. Jemand mußte ihm Kleider aus dem Haus gebracht haben,
denn er trug ein Flanellhemd und schlichte Arbeitshosen statt des eleganten
Anzugs, den er am Hochtzeitstag getragen hatte.
Er kam zu ihr, gab ihr einen Becher
mit Kaffee und küßte sie auf die Stirn, als sie sich verschlafen aufrichtete.
Verschämt zog sie das Laken unters
Kinn, und Brigham lächelte.
»Guten Morgen, Mrs. Quade«, sagte
er.
Lydia nippte an dem heißen Kaffee
und wandte ihren Blick für einen Moment ab. »Guten Morgen«, murmelte sie. Sie
hatte fast die ganze Nacht stöhnend und wimmernd vor Lust in den Armen dieses
Mannes gelegen, aber jetzt, im hellen Tageslicht, war sie plötzlich scheu und
schämte sich ihrer zügellosen Reaktion auf Brighams Zärtlichkeiten.
Er zog sich einen Stuhl heran und
ließ sich darauf nieder. »Lydia.«
Sie hob den Kopf und spürte, wie ihr
heiße Röte in die Wangen stieg. »Ja?«
Lächelnd nahm Brigham ihr den Becher
wieder ab. Dann zog er das Laken von ihrem Körper und betrachtete ihre schönen,
vollen Brüste mit den winzigen rosa Knospen.
»Versteck dich nicht vor mir«, sagte
er, und es lag fast etwas Ehrfürchtiges in seinem Blick. »Dazu bist du viel zu schön.«
Lydia errötete noch heftiger, und
Brigham ließ ein leises Lachen hören. Kopfschüttelnd stand er auf, schob
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