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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

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nicht, wer den Studenten getötet hat«, erinnerte
er Barrett, während sie die schmale Treppe hinaufstiegen.
    Barrett seufzte hinter ihm. »Nein«,
stimmte er trübsinnig zu. »Das wissen wir noch nicht.«

Sechzehn
    Annie stand den ganzen folgenden
Vormittag im Hintergrund der großen Halle und lauschte unzähligen weiteren
Aussagen. Aus praktischen Erwägungen trug sie das gleiche Kleid wie gestern und
hatte ihr Haar zu einem lockeren Knoten im Nacken zusammengesteckt. Sie fühlte
sich ein wenig zerschlagen heute, doch wie Kathleen schien sie unempfindlich
zu sein für das Fieber, das unter den Dorfbewohnern wütete. Die Krankheit hatte
eine beträchtliche Anzahl von Bauersfrauen und einige der Mägde befallen, die
aushalfen, doch bisher war noch niemand daran gestorben.
    Das war ein Segen, und nicht nur aus
Gründen, die offensichtlich waren. Das Abwassersystem des Dorfes war schon
immer sehr primitiv gewesen, doch jetzt, angesichts des Zustroms neuer Menschen
und der Natur des Fiebers selbst, war die Abwässer- und Abfallbeseitigung zu
einem echten Problem geworden. Es mußte jederzeit mit dem Ausbruch von Cholera
oder Typhus gerechnet werden.
    Annie, die sich über dieses Dilemma
den Kopf zerbrach, war verblüfft, als Jeremy Covington aufsprang, etwas
Unverständliches in den Saal brüllte und an seinen Fesseln zerrte. Seine Augen
waren glasig wie die eines tollwütigen Tiers; sein Hemd war schweißdurchtränkt,
und auch sein Gesicht und sein Nacken glänzten feucht.
    Der junge Soldat, der gerade seine
Aussage machte, wie es sein gutes Recht war, starrte seinen Kommandeur betroffen
an.
    Widerstrebend versuchten zwei von
Barretts Männern, Covington zur Räson zu bringen, aber er war ungeheuer stark
in seiner Wut und seiner Angst. Er kämpfte so verzweifelt, daß es vier Männer
bedurfte, um ihn zu überwältigen.
    Als das geschah, schluchzte er
heftig, und Annie empfand Mitleid für ihn. Ganz offenbar hatten die
Gefangenschaft und die Verhandlung Leutnant Covington gebrochen.
    Die Männer hätten ihn in den Kerker
zurückgeschleppt, wenn Rafael nicht vorgetreten wäre.
    »Laßt ihn reden«, befahl der Prinz
mit leiser, ruhiger Stimme, die dennoch bis in die letzte Ecke des großen Saals
vordrang.
    Covington zitterte am ganzen Leib.
»Ich will nicht sterben«, sagte er. »Ich werde nicht hängen für das —« er
wandte den Kopf und richtete den Blick auf einen der anderen Soldaten — »was
er getan hat!«
    Der Soldat errötete zunächst, um
dann leichenblaß zu werden. Er sprang auf und hätte sich wohl auf Covington
gestürzt, trotz seiner Hand- und Fußfesseln, wenn Mr. Barrett und einer der
Dorfbewohner ihn nicht zurückgehalten hätten.
    »Fahr zur Hölle, Covington!« schrie
der Beschuldigte. Rafael drehte sich langsam zu ihm um. »Wie ist dein Name,
Soldat?«
    Selbst aus der Entfernung sah Annie
die Kehle des Mannes zucken, als er schluckte. »Peter Maitland, Euer Hoheit.«
»Hast du den Studenten erschossen, Peter Maitland?«
    Ein erkennbares Erschauern
durchzuckte Maitlands schlanken Körper. Wild schaute er von Covington zu den anderen
Männern auf der Anklagebank, um den Blick dann wieder auf Rafael zu richten.
»Ja, Sir«, antwortete er.
    »Warum?« erkundigte Rafael sich
sachlich.
    In der großen Halle war es still, während
alle, Bauern und adlige Besucher gleicherweise, auf Antwort warteten. Was dann
kam, löste einen Aufruhr aus.
    »Weil ich Euch verteidige, Hoheit!
Der Student stachelte die Leute zum Verrat an Euch auf!«
    Rafael wirkte elend, zornig und
müde, und Annie konnte sich nur mit Mühe beherrschen; um nicht zu ihm zu laufen
und ihm beizustehen. Statt dessen jedoch schickte sie ihm eine stumme Botschaft
ihres Herzens, und er schien sie zu empfangen, denn sein Blick suchte und fand
Annie in der Menge. Einen Moment lang bestand eine innige Verbindung zwischen
ihnen; es war fast, als ob sie allein in der großen Halle wären.
    Als Rafael endlich wieder sprach,
klang es angewidert und enttäuscht. »Schafft ihn fort«, sagte er. »Schafft sie
alle fort.«
    Ein solcher Aufstand folgte seinen
Worten, daß die Mauern der Halle darunter zu erbeben schienen. Der Mann, der
als Richter den Vorsitz führte, klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch. »Ruhe
im Saal!« brüllte er, und alle gehorchten, vom geringsten Bauern bis zu den
adligen Gästen, die zu Phaedras Hochzeit nach St. James gekommen waren.
    Widerstrebend löste sich die Menge
auf. Als nur noch der Richter, die Geschworenen, Rafael

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