Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
einer
verächtlichen Bewegung los, aber er hatte dabei ein äußerst unbehagliches
Gefühl im Magen. Barrett hatte ihm schließlich selbst gesagt, daß er Phaedra
zärtliche Gefühle entgegenbrachte ... Doch Rafael hatte ihn gewarnt und die
Sache mit der Zeit vergessen, da er keinen Grund hatte anzunehmen, daß seine
Schwester Barretts Gefühle erwiderte.
»Verdammt!« flüsterte er jetzt und
fuhr sich entnervt mit der Hand durchs Haar. Barrett war in letzter Zeit sehr
mürrisch, aber das hatte Rafael auf seine nervenaufreibende Tätigkeit als
Leibwächter eines vom Sturz bedrohten Herrschers geschoben. Doch nun fragte er
sich, ob es nicht etwas ganz anderes sein mochte ...
Lucian ging ein paar Schritte den
Korridor hinunter, bevor er wieder sprach. »Nun?« fragte er und breitete die
Arme aus. »Bin ich aus der Armee entlassen? Darf ich wieder in meinem Zimmer
schlafen und meine eigenen Kleider tragen?«
»Ja«, erwiderte Rafael abwesend, und
entließ Lucian mit einer Handbewegung. »Aber verbrenn deine Uniform noch nicht.
Nach der Hochzeit werde ich entscheiden, ob deine Entlassung endgültig ist oder
nicht.«
Lucian wartete nicht weiter ab,
sondern verschwand um eine Ecke, hinter der sein Zimmer lag.
Bevor Rafael in seine eigenen
Gemächer zurückkehren konnte, um Annie zu wecken und sie hinzuschicken, wohin
sie gehörte, erschien eine Magd mit einem Armvoll Laken und einem großzügigen
Lächeln.
»Guten Morgen, Hoheit«, sagte sie
mit einem raschen Knicks.
Rafael nickte. »Guten Morgen,
Evelyn«, erwiderte er den Gruß, drängte sie von der Tür fort und deutete in die
Richtung, aus der sie gekommen war. »Heben Sie sich das für später auf,
bitte«, sagte er und deutete auf die Laken und die Handtücher.
Evelyn errötete, denn es war nicht
das erste Mal, daß der Prinz sie höflich morgens von seiner Zimmertür
fortschickte. »Ja, Sir«, sagte sie. »Ich bereite ein anderes Zimmer vor. Es
kommen viele Gäste zu der Hochzeit.«
Ja, dachte Rafael in schweigender
Übereinstimmung. Und wenn er nicht seine gesamte Aufmerksamkeit der Sache widmete,
würden es keine alten Freunde sein, die die vielen Räume der Burg bewohnten,
sondern Rebellen, die kamen, um ihn zu stürzen. Als er sich Annie als Beute der
Sieger vorstellte, wurde er erneut von Verzweiflung übermannt.
Tief in Gedanken versunken, schritt
er über die Korridore zwischen seinen privaten Gemächern und dem Arbeitszimmer.
Bei Gott — wenn Barrett wirklich mit Phaedra geschlafen hat, dachte Rafael,
werde ich den Schuft eigenhändig erwürgen!
Die Heuchelei an diesen Überlegungen
entging Rafael nicht — noch während er diese selbstgerechten Gedanken hegte,
lag Annie splitternackt und warm in seinem Bett. Annie war allerdings auch
nicht mit einem anderen Mann verlobt, und sie war ganz bestimmt nicht seine
Schwester.
Rafael hielt sich noch keine fünf
Minuten in seinem Arbeitszimmer auf — er hatte gerade erst das Florett von der
Wand genommen —, als Barrett erschien. Rafael drückte die Spitze der Waffe an
die Kehle seines Freundes und ließ sie dann langsam wieder sinken
»Ich hätte etwas Besseres von dir
erwartet«, sagte er.
Barretts Augen verrieten die
Wahrheit, noch bevor das Geständnis über seine Lippen kam. »Ich liebe Phaedra —
so sehr, daß ich sogar für sie sterben würde. Wenn du unbedingt deinen
närrischen Ehrenkodex aufrechterhalten willst, dann durchbohr mich mit deinem
Degen und bring es hinter dich.« Er hielt nachdenklich inne, ein
komisch-gequälter Ausdruck erschien auf seinen Zügen. »Ich bin mir nicht einmal
sicher, ob es keine Erlösung wäre, angesichts der Qual, ausgerechnet diese Frau
zu lieben.«
Rafael hätte seinem Freund etwas
über Qual erzählen können, aber er verzichtete darauf, denn erstens wünschte er
keine Diskussion über seine unvernünftige Beziehung zu Annie Trevarren, und
zweitens ging es hier auch schließlich nicht darum. »Wie zum Teufel konnte das
passieren? Phaedra ist mit einem anderen Mann verlobt, wie dir bekannt ist, und
sie wird ihn heiraten, wenn er sie noch haben will!«
Barrett nahm einen Apfel aus der
Tasche seines Uniformrocks und begann ihn mit einem kleinen Messer zu schälen.
Doch Rafael spießte die Frucht mit der Spitze seines Degens auf, nahm sie von
der Klinge und wischte sie an seinem Hemd ab, während er auf eine Antwort
wartete.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte
Barrett mit einer Hoffnungslosigkeit, die Rafaels entsprach. »Phaedra ist entschlossen,
die
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