Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
Hochzeit stattfinden zu lassen. Ich bin kein Adliger, vergiß das nicht. Gut
genug für eine Affäre, aber völlig unpassend als Ehemann.«
Rafael empfand Erleichterung, aber
keineswegs, weil er Barrett für unwürdig hielt, Phaedras Mann zu werden seine
Schwester mußte noch sehr viel reifer werden, bevor sie einen Mann von Barretts
Kaliber zu schätzen wissen oder überhaupt verdienen würde ... Schließlich
hängte er den Degen wieder an die Wand und biß in den Apfel, den er seinem
Freund geraubt hatte.
»Hat sie das gesagt?« erkundigte
er sich kauend.
Barrett sank auf einen Stuhl und starrte
durch das Fenster hinter Rafaels Schreibtisch. Es war noch ziemlich dunkel
draußen, obwohl es bereits Morgen war — der Himmel war verhangen, die dunklen
Wolken versprachen Regen. »Das brauchte sie nicht«, erwiderte er, während er
sich mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen rieb und melancholisch seufzte.
»Bring mich um«, schloß er. »Erlös mich von meinem Elend.«
Rafael hielt einen Moment im Kauen
inne, lange genug, um angewidert vor sich hin zu brummen: »O Gott, was für ein
verdammter Narr du bist, Barrett! Die Hauptstadt liegt in Schutt und Asche, wir
werden die Burg voller Rebellen haben, noch bevor die nächste Woche herum ist,
und du jammerst, weil irgendein gütiger Engel dich davor bewahrt, den
Rest deines Lebens mit meiner Schwester zu verbringen!«
Barrett blieb ungerührt. Tatsächlich
lag sogar ein aufsässiger Glanz in seinen Augen, als er die Reste des Apfels
musterte. »Willst du das Schlimmste wissen?« fragte er.
»Nein«, erwiderte Rafael. »Aber ich
fürchte, daß du entschlossen bist, es mir mitzuteilen.«
»Ich habe Haslett erzählt, was
zwischen uns vorgegangen ist, und zwar auf recht unritterlicher Weise und sehr
ausführlich.«
Rafael ließ den Apfel fallen und
verzichtete darauf, ihn aufzuheben. » Was?«
Barrett lachte rauh, aber es lag
kein Humor darin. »Ich dachte, er würde Phaedra freigeben oder mich zu einem
Duell herausfordern oder so etwas. Statt dessen klopfte er mir bloß auf die
Schulter und sagte, so etwas käme vor, und auf lange Sicht gesehen hätte es
nichts zu bedeuten.«
»Großer Gott«, staunte Rafael.
»Ja, verrückt, nicht wahr?« stimmte
Barrett zu. »Die Vorstellung, daß Phaedra einen anderen Mann heiratet, bringt
mich fast dazu, aus einem Turmfenster zu springen, und da sagt dieser Haslett, es
mache nichts, daß seine zukünftige Frau und ich uns bei jeder sich
bietenden Gelegenheit gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen haben!«
Rafael schloß die Augen vor den
unvermeidlichen Bildern, die vor ihm erstanden. »Beim großen Zeus, Barrett,
wir reden über meine Schwester! Wenn du nicht ein bißchen taktvoller
sein kannst, brauchst du nicht mehr aus einem Turmfenster zu springen, weil
ich dich dann nämlich eigenhändig aus einem werfen werde!«
»Tut mir leid«, sagte Barrett mit
einem absoluten Mangel an Überzeugung. »Nun? Was ist das fürstliche Dekret,
Majestät? Soll ich meinen Abschied nehmen und die Burg verlassen, oder wirst
du mich zu Covington und seinen Spießgesellen ins Verlies werfen?«
Rafael seufzte. »Weder noch«, sagte
er. »Ich habe deine Hilfe und deinen Rat noch nie so sehr gebraucht wie jetzt.
Sag mir nur eins — würde es etwas nützen, wenn ich dich aufforderte, dich von
meiner Schwester fernzuhalten?«
»Würde es etwas nützen, wenn ich
dich aufforderte, dich von Annie Trevarren fernzuhalten?« konterte Barrett und
erhob sich.
»Nein«, gab Rafael zu.
»Bitte, da hast du deine Antwort.«
»Vielleicht kann ich meine Schwester
zur Vernunft bringen.«
»Vielleicht kannst du Miss Trevarren
zur Vernunft bringen. Oder die Rebellen.«
Rafael betrachtete die Schlacht als
verloren, wenn auch nicht den Krieg. »Da magst du recht haben«, gab er zu. »Und
jetzt zu unseren Gefangenen. Wir haben noch zwei Wochen bis zur Hochzeit, und
ich möchte, daß sie bis dahin ihre Verhandlung hatten und abgeurteilt sind.«
Es ist die himmlische Strafe, dachte Annie, als Miss
Rendennon im Laufe des Vormittags erschien. Morovia hatte noch gebrannt, als
die Schneiderin es verlassen hatte, und sie hatte eine Auseinandersetzung mit
einer Wache der Aufständischen am Tor gehabt. Auf dem Weg nach St. James,
berichtete die Frau, war sie Flüchtlingen sehr zweifelhaften Charakters
begegnet und einem desertierten Soldaten, der ebenfalls nichts Gutes im Sinn
zu haben schien, und sie hatte ihrem Kutscher moralischen Beistand leisten
müssen,
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