Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
umgebunden hatte
und mit Genuss an einem Hummerbein saugte. Er ließ es fallen, als er Lupino sah
und sprang mit einer für so einen riesigen Mann beachtlichen Behändigkeit auf, breitete
die Arme aus und kam mit breitem Grinsen Lupino entgegen. Dann geschah das Unvermeidliche:
›Il piccoletto‹ umarmte und küsste ihn auf beide Wangen. Er zählt mich also noch
immer zu seinen Leuten, obwohl ich nicht mehr im Polizeidienst bin und schon lange
nicht mehr auf seiner Lohnliste stehe, dachte Lupino. Der riesige Mann, der schon
als Kind seine Altersgenossen um einen Kopf überragt hatte und ironischerweise seit
damals ›Il piccoletto‹ gerufen wurde, bot Lupino einen Platz an seinem Tisch an.
Dann winkte er dem Kellner, und Lupino wurde ein halber Lobster serviert. Krachend
eine Hummerschere öffnend und schmatzend das darin enthaltene Fleisch heraussaugend,
forderte ihn ›Il piccoletto‹ auf:
»Manga,
manga! Che è buona. [32] «
Da Lupino
wusste, dass es eine Beleidigung gewesen wäre, diese Delikatesse auszuschlagen,
griff er ebenfalls zur Hummerzange und begann zu essen. Ungefragt schenkte ihm Piero,
der wie ein Schatten hinter ihm stand, aus einer Champagnerflasche ein. Was
›Il piccoletto‹ mit einem genuschelten »È francese. [33] « kommentierte. Lupino beschloss,
das Mahl zu genießen. Der Hummer war wirklich vorzüglich, genauso wie der Champagner.
Piero schenkte ihm laufend nach, und Lupino goutierte das feine Mousseux sowie das
trocken fruchtige Bouquet. Von dem Champagner musste der Wirt des Strandrestaurants
übrigens einen ganz schönen Vorrat eingelagert haben, denn kaum hatten sie eine
Flasche ausgetrunken, wurde im Eiskübel eine neue gebracht. Als sie fertig gegessen
hatten, bestellte ›Il piccoletto‹ Kaffee. Während dieser zubereitet wurde, begann
er im Plauderton zu erzählen, dass ihm der Blödsinn, den der Sonderermittler aus
Rom in der Öffentlichkeit von sich gäbe, endgültig reiche.
»Ammazzare
adolescenti? Io? Fare gli snuff porno? E’ ridicolo ! [34] «
Dann erwähnte
er, dass dieses Geschwätz des Sonderermittlers sowie dessen Ermittlungen sich störend
auf seine Geschäfte auswirkten. Er werde bei jeder Gelegenheit von seinen Geschäftsfreunden
gefragt, ob er schwul geworden sei und ob ihn Snuff-Pornos mit minderjährigen Knaben
anturnten. All das habe er satt. Deswegen habe er dafür gesorgt, dass dem Sonderermittler
das Handwerk gelegt werde. ›Il piccoletto‹ nippte nachdenklich an seinem Espresso
und dann an dem Grappa, der ihm ungefragt, genauso wie Lupino, zum Kaffee serviert
worden war. Der riesige Mann seufzte und philosophierte, dass man als Geschäftsmann
sich manchmal zwischen Pest und Cholera entscheiden müsse. Er lachte und sagte,
dass er sich für die Cholera entschieden habe und dass er alle seine Kontakte habe
spielen lassen, damit Ranieris Suspendierung aufgehoben werde. Er bat Lupino, dies
Ranieri mitzuteilen. Nun musste Lupino grinsen. Ranieri war ein Intimfeind von ›Il
piccoletto‹. Immer wieder hatte Ranieri ihm in den letzten Jahren das Leben schwer
gemacht. Nie hatte er sich von dem Paten bestechen lassen. Nun benutzte ›Il piccoletto‹
die Angelegenheit, um Ranieri in eine Situation zu bringen, in der dieser ihm einen
Gefallen schuldig sein würde. Lupino stürzte seinen Grappa hinunter, ließ ein wohliges
»Ahhh« hören und war nun vollkommen entspannt. Er war der Bote, der Ranieri die
frohe Botschaft überbringen sollte. Doch das war nicht alles. Der Pate orderte zwei
weitere Grappe, prostete Lupino zu, schob ihm ein prall gefülltes Kuvert über den
Tisch und knurrte leise:
»Acchiappa
il killer. Subito. [35] «
Nun begann
Lupino wieder zu schwitzen. Der örtliche Mafiaboss hatte ihn gerade beauftragt,
den Killer zu fassen. Und zwar subito. Schöne Scheiße …
Dreiunddreißig
Sie genoss den Branzino. Ein wunderschönes,
großes Exemplar, wie man es heute eher selten bekommt. Im Ganzen serviert, perfekt
auf den Punkt gebraten. Schade nur, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.
In der versteckt hinter dem Rialto liegenden Osteria ›La Botte‹ war die Hölle los.
Einheimische und Touristen drängten sich eng an eng. Auch der allerkleinste Platz
wurde ausgenutzt, und so saß an ihrem Tisch ein österreichisches Touristenpaar,
dem hier nichts passte. Mit langen Gesichtern hatten sie in der Tris vom Baccalá
herumgestochert, danach hatten sie Spaghetti mit Meeresfrüchten bestellt, die ihnen
auch nicht wirklich mundeten.
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