Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
wie besessen an der Tür und rief laut »Bobby!«. Da
die Tür nicht ordentlich verriegelt war, sprang sie auf und er blickte in die schreckgeweiteten
Augen eines weiteren asiatischen Touristen, der auf der Klomuschel saß. Angsterfüllt
sah ihn dieser an und stammelte:
»No Bobby
… no, no …«
Die Klofrau,
die zuvor auf der Damentoilette rumort hatte, stürzte sich dazwischen und rief entrüstet:
»Ehi!
Ma che diavolo credi di fare? [42] «
Crumb machte
kehrt und polterte die enge Stiege wieder hinunter. Er schwitzte, sein Pulsschlag
raste und er spürte Panik aufkommen. Er lief nun durch das gesamte Caffè Florian
und stieß dabei mit der Contessa zusammen. Nervös raunzte er sie an »Sit down and
wait!« und war im nächsten Moment bei der Kaffeehaustür draußen. Unter den Arkaden
lief er, einem Bauchgefühl folgend, in Richtung Campanile. Und tatsächlich, dort
unter den Arkaden stand Bobby und fütterte mit verklärtem Lächeln die Tauben. Donald
B. Crumb atmete erleichtert durch. Er bremste sein Tempo ein und ging die letzten
Meter mit ruhigem Schritt auf seinen Sohn zu. Der blickte auf und lachte: »Daddy
look! These pigeons are hungry.«
Eine Stunde später, als er der Contessa
seine Pläne erläutert und diese ohne große Begeisterung zugestimmt hatte, spazierte
er gemeinsam mit Bobby durch den Regen heim. Als sie an dem großen Auslagenfenster
eines Luxusmodengeschäfts vorbeikamen, in dem er sich und seinen Sohn sah, musste
er grinsen. Mit ihren Regenpelerinen und Kapuzen sahen sie wie zwei von Walt Disney
gezeichnete Zwerge aus. Donald und Bobby, Cinderellas achter und neunter Zwerg.
In sich versunken lächelnd wanderte er mit seinem Sohn weiter durch die feucht glänzende
Lagunenstadt. Ganz fest hielt er dabei Bobbys Hand und schwor sich, in Zukunft besser
auf seinen big boy aufzupassen.
Neununddreißig
Adi Bender war ausnahmsweise gut
aufgelegt. Kein Wunder, schließlich hatte er den knabenhaften Produktionsassistenten
gestern Abend erstmals auf sein Zimmer mitgenommen. Viel war leider nicht passiert,
da sie beide volltrunken gewesen waren. Aber immerhin, ein erster Schritt war getan.
Er erinnerte sich an die straffe Haut des jungen Burschen, an seinen glatten, unbehaarten
Oberkörper und an seinen sehr maskulinen Körpergeruch. Bender bekam eine Erektion.
Fröhlich pfeifend stieg er die Stiegen des Krankenhauses hinauf. Er klopfte kurz
an die Zimmertür und öffnete sie dann vorsichtig. Mit breitem Grinsen betrat er
das Zimmer und erschrak. Philipp Mühleis lag aufgebahrt wie eine Leiche in seinem
Bett. Das Gesicht käseweiß, die Haare zerrauft. Mit müdem Blick und unnatürlich
großen Pupillen blickte er Bender an. Na die haben einen Arsch voll Psychopharmaka
in dich hinein gepumpt, dachte sich Bender, als er an Mühleis’ Bett trat und ihn
mit einem jovialen »Servus! Wie geht’s, wie steht’s?« begrüßte. Mühleis drehte den
Kopf von Bender weg. Er starrte aus dem Fenster hinaus und murmelte dann: »Wie soll’s
mir schon gehen?«
Bender bemühte
sich, Philipp Mühleis aufzumuntern: »Du, die Locations, die du vor deinem … na ja,
weißt eh … vor deinem … deinem Zusammenbruch uns gebracht hast, sind klasse. Echt
leiwand!«
Mühleis
sah Bender weiterhin nicht an und brummte: »Davon wird mein Johannes auch nicht
mehr lebendig.«
»Mein Gott,
Philipp! Du musst dich zusammenreißen. Wir brauchen dich am Set.«
»Niemand
braucht mich.«
»Verdammt
noch einmal! Du hast einen Vertrag. Du verdienst gute Kohle. Also, was ist? Steh
auf und komm! Wir brauchen dich!«
Mühleis
drehte den Kopf zu Bender. Ein langer, unendlich trauriger Blick traf diesen, als
er gerade weiterreden wollte, sagte Mühleis leise:
»Meine Frau
hat die Scheidung eingereicht. In Wien …«
Bender senkte
sein Haupt und sah auf seine Schuhspitzen. Danach herrschte kurze Zeit Schweigen.
Schließlich stand Bender seufzend auf und fragte:
»Kann ich
irgendetwas für dich tun, Philipp?«
Mühleis
sah nun wieder zum Fenster hinaus und reagierte nicht. Abermals seufzend trat Bender
den Rückzug an. Als er schon fast bei der Tür draußen war, hörte er Mühleis sagen:
»Sag dem
Privatdetektiv, dem Severino, er soll mich besuchen. Ich kann ihn nicht erreichen,
der Akku meines Handys ist leer.«
Vierzig
Lupino saß bei Marcello an der Theke.
Es war ein fauler, verregneter Nachmittag, und Luciana hatte sich auf einen Barhocker
neben ihn gesetzt. Er spürte die Wärme ihres linken Schenkels, der den
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