Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
machte Licht, nahm aus dem Küchenkasten
die kleine Bialetti heraus, schraubte sie auf und füllte Wasser in den unteren Teil.
Mit leicht zitternden Fingern griff er nach der Kaffeedose. Er schraubte sie auf,
holte aus der Bestecklade einen Kaffeelöffel und füllte damit das nicht allzu große
Metallsieb. Dabei bröselte er einiges daneben, doch das war ihm egal. Liebevoll
putzte er den oberen Teil des Siebes und die Gummidichtung ab. Dann verschraubte
er den unteren mit dem oberen Teil, suchte die Streichholzschachtel, zündete die
kleinste Flamme des Gasherdes an und stellte die silberne Espressomaschine auf die
Flamme. Zufrieden trottete er ins Badezimmer, wo er sich auf die Toilette setzte.
Jetzt ist Schluss mit dem Stehendpinkeln, dachte er sich und grinste. Nach der heißen
Dusche schlang er sich das Badetuch um die Hüften und ging in die Küche zurück,
wo die Bialetti bereits munter blubberte und zischte. Er drehte die Flamme ab, nahm
eine Espressoschale aus dem Geschirrspüler und goss das duftende, belebende Elixier
ein. An der Espressoschale nippend ging er ins Bad zurück, wo er zu einer Schere
griff und sich sorgsam den Bart stutzte. Immer wieder wuchsen einige Partisanen
schneller als seine restliche Gesichtsbehaarung. Diese Ausreißer galt es, einen
Kopf kürzer zu machen. Weiters entdeckte er ein besonders langes Haar, das aus seiner
linken Ohrmuschel herauswuchs. Dieses sowie mehrere lästige Nasenhaare wurden ebenfalls
zurechtgestutzt. Ranieri ging in die Küche und füllte die Espressoschale aufs Neue.
Zufrieden registrierte er, dass die Wassermenge, die er in die Bialetti gefüllt
hatte, genau für zwei Schalen reichte. Den nicht mehr so heißen Kaffee trank er
mit zwei kräftigen Schlucken und gab dann ein zufriedenes »Ahh!« von sich. Voll
Energie schritt er zum begehbaren Kleiderschrank, betrat ihn, machte Licht und suchte
sich einen frisch geputzten Anzug, ein farblich dazu passendes Hemd, Shorts, Socken
und eine Krawatte aus. Nachdem er sich angezogen hatte, betrachtete er sich zufrieden
in dem hohen Spiegel, der sich auf der Innenseite des Ankleideraumes befand. Er
schnitt eine fröhliche Grimasse und griff zur Krawatte. Plötzlich hielte er inne,
sah prüfend in den Spiegel und murmelte dann ein »No«. Sorgfältig hängte er die
Krawatte zurück auf den Krawattenhalter, knipste das Licht aus, schloss die Tür
und ging beschwingt ins Bad. Dort zog er sich das Sakko aus und putzte sehr vorsichtig,
indem er sich weit vorbeugte, die Zähne. Zufrieden registrierte er, dass es mit
der nötigen Vorsicht durchaus möglich war, sich das Hemd beim Zähneputzen nicht
zu bekleckern. Er schlüpfte neuerlich ins Sakko und danach in seine Schuhe. Er zog
seinen Trenchcoat an und griff nach dem Regenschirm, ein prüfender Blick in die
Küche und er erstarrte. Auf der Küchenarbeitsfläche war alles mit Kaffee vollgebröselt,
eine leere Espressoschale mit traurigen schwarzen Rändern komplettierte das schlampige
Stillleben. Nein, so durfte er die Küche nicht zurücklassen! Er griff sich einen
Küchenschwamm, wischte die Kaffeebrösel weg, wusch dann die Espressoschale aus,
trocknete sie ab und stellte sie zu den anderen sauberen. Na also, so würde seine
Frau nach dem Aufstehen eine blitzblank saubere Küche vorfinden. Mit zufriedenem
Grinsen eilte er aus dem Haus. Gott sei Dank war seine Frau zu ihm zurückgekehrt!
Sie hatte ihm zwar noch nicht komplett verziehen, aber er arbeitete daran. Genauso
wie er verbissen daran arbeitete, diesem verdammten ›Venedig-Ripper‹ endlich das
Handwerk zu legen.
Trotz Regenschirm und Trenchcoat
erreichte er die Questura ziemlich durchnässt. Doch das konnte seiner guten Laune
keinen Abbruch tun. Gestern hatte er den ganzen Tag mit seiner Kollegin Silvana
Viti und mit einem Profiler, den er eigens angefordert hatte, zusammen gesessen.
Wieder grinste er, als er sich an Silvanas verblüfftes Gesicht erinnerte, als er
sie zu diesem Meeting eingeladen hatte. Ja, er wollte sie wirklich dabei haben.
Sie hatte oft genug bewiesen, dass sie intuitiv einiges drauf hatte. Außerdem tat
ihm Silvana leid. Ihre Affäre mit dem Kinderpornos liebenden, römischen Sonderermittler
würde man sich in der Questura noch in 30 Jahren schenkelklopfend erzählen. Ranieri
fand das mies. Okay, Silvana hatte einen leicht nuttigen Charme und dazu einen brennenden
Ehrgeiz. Trotzdem machte diese Entgleisung sie liebenswert. Zumindest für ihn. Nobody
is perfect. Mit Schaudern erinnerte er
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