Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Dollar war auf sein Schweizer
Bankkonto überwiesen worden. Eine weitere SMS traf ein: Die Lieferung sollte heute
Vormittag erfolgen. Er sah auf die Uhr und zuckte zusammen. Fuck! Es war bereits
2.30 a.m.! Er musste sich beeilen. Gähnend ging er in den Nachbarraum und holte
die letzte der vier zusammenlegbaren Kisten, die ihm sein Auftraggeber hatte liefern
lassen, in die Werkstatt. Sie war – so wie die anderen drei auch – aus solidem Teakholz
hergestellt und mit Nut und Feder sowie mit Metallhaken und Ösen zusammenbaubar.
Eine sündhaft teure Spezialanfertigung. Er legte die Bodenplatte der Kiste direkt
neben die Statue auf den Fußboden. Dann holte er einen der noch vorhandenen Säcke
Holzwolle und bereitete der knienden Statue auf der Bodenplatte ein dickes Holzwollbett.
Er zog weiße Zwirnhandschuhe an und hob die vergoldete Statue vorsichtig auf diese
weiche Unterlage. Nun setzte er die vier Seitenwände der Kiste auf die Bodenplatte
auf. Danach kam der heikle Teil, die Staue rundum in Holzwolle einzubetten. Fuck!
Bei dieser Arbeit kam er immer ins Schwitzen. Als die Kiste rund um die Statue mit
Holzwolle ausgestopft war, setzte er die Abdeckplatte oben auf und verschloss die
Kiste mit Klappverschlüssen aus Metall. An diesen wurden dann noch kleine Schlösser
angebracht, für die wahrscheinlich nur er und sein Auftraggeber einen Schlüssel
hatten. Das alles waren Einzelanfertigungen, alle bis ins kleinste Detail durchdacht.
Ein unglaublicher Aufwand. Der Kerl musste wahrlich ein krankes Gehirn haben. Bloody
pervert!
Endlich
war die Kiste versandfertig. Neuerlich zückte er sein Smartphone und sendete der
Spedition den Auftrag, die Kiste abzuholen. In dem elektronischen Auftragsformular
gab er an, dass niemand anwesend sei und dass der Schlüssel zur Eingangstür am Türstock
rechts oben lag. Abzuholen war die Holzkiste, die unmittelbar hinter der Eingangstür
stand. Lieferadresse wie gehabt, eine Lagerhalle in Marghera. Als er nach ein paar
Minuten die elektronische Bestätigung per SMS erhalten hatte, dass der Auftrag angenommen
war und ausgeführt werden würde, atmete er erleichtert durch. Er sah auf die Uhr.
Es war 3.40 a.m. Sein Job war erledigt. Es war vorbei.
Ein letztes
Mal stapfte er die enge Stiege hinauf in Cecchettis Küche. Fast mit etwas Wehmut
setzte er ein letztes Mal die kleine Bialetti-Kaffeemaschine auf die Flamme des
Herdes. Hungrig trat er zum Kühlschrank und sah nach, was er noch an Vorräten hatte.
Nichts außer dem Endstück einer Salamistange. Er nahm ein spitzes Messer aus der
Küchenschublade und schälte die Haut von dem Salamirest ab. Entspannt begann er
daran zu kauen. Als die Kaffeemaschine blubberte, schenkte er sich Kaffee ein und
nahm dazu einen Schluck Wasser aus der fast leeren Mineralwasserflasche. Alles ging
hier zu Ende. Und das war gut so. Er schlürfte Kaffee und entspannte sich. Nun verflüchtigte
sich auch die Müdigkeit. Er war auf dem Sprung. Nichts konnte ihn mehr aufhalten.
Fast nichts.
Als er die
Eingangstür öffnete, fluchte er. Wasser sickerte in die Werkstatt. Acqua alta! Er
schloss die Tür von innen und sah sich hektisch um. Dann holte er zwei Sessel aus
dem Haus, stellte sie zusammen und platzierte auf ihnen fluchend und schnaufend
die Kiste. Neuerlich öffnete er die Eingangstür, wieder sickerte etwas Wasser in
den Raum. Diesmal war es ihm egal. Er knallte die Tür zu, sperrte ab und deponierte
den Schlüssel, so wie er es der Spedition angekündigt hatte, rechts oben am Türstock.
Dann stapfte er platschend durch das Wasser, das zum Glück nur den Boden bedeckte
und nicht wirklich hoch war, davon.
Um 5.48
a.m. erreichte er Santa Lucia. Er stieg die breite Treppenanlage des Bahnhofs hinauf
und war froh, endlich wieder trockenen Boden unter den Füßen zu haben. Seine Fallschirmspringerstiefel
waren vollgesogen mit Wasser. Fuck! Er ging zielstrebig zu dem Bahnsteig, von dem
die Regionalzüge nach Mestre abfuhren. Der nächste ging um 5.57 a.m. Da der Zug
bereits dastand, stieg er ein. Noch einmal spürte er dieses verdammte Brennen unter
den Fußsohlen. Es verschwand erst, als der Zug sich ruckelnd in Bewegung setzte.
Über den langen Damm, der quer über die Lagune führte, fuhr der Zug in bedächtigem
Tempo nach Mestre. Er sah im Osten das fahle Licht des neuen Tages über dem Meer
empor dämmern und die funkelnden Lichter Venedigs in der Ferne verblassen. Neuerlich
atmete er erleichtert durch. Nothing can stop me
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