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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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notgedrungenen Wiedergeburt als furchtloser Held der technolibération. Ich war lediglich in ein gefährliches Spiel zwischen verrückten, rivalisierenden Gottesmachern hineingeraten – um wieder meinen angemessenen Platz zugewiesen zu bekommen: als Vermittler von Botschaften anderer.
    »Glauben Sie«, fragte Kuwale, »daß man uns überwacht? Daß man uns von oben abhört?«
    »Wer weiß?« Ich blickte mich im dunklen Frachtraum um. Ich war mir nicht einmal sicher, ob das schwache graue Licht, das die gegenüberliegende Wand darstellen mochte, Wirklichkeit oder nur ein Effekt meiner Netzhaut oder Einbildung war. Ich lachte. »Was sollen wir Ihrer Ansicht nach machen? Sechs Meter hoch in die Luft springen, ein Loch in die Luke schlagen und dann einhundert Kilometer zurückschwimmen – während wir wie siamesische Zwillinge aneinandergefesselt sind?«
    Ich spürte plötzlich ein heftiges Reißen am Strick um meine Hände. Beinahe hätte ich verärgert aufgeschrien, doch ich hielt mich gerade noch rechtzeitig zurück. Wie es schien, hatte Kuwale die Stunde gut genutzt, während heine Handgelenke nicht zwischen unseren Rücken festgeklemmt waren. Wenn er die Schlaufen geweitet und die lockeren Stränge in den Händen versteckt hatte… wodurch er den leichten Spielraum hätte bewahren können, als wir wieder gefesselt wurden? Ich wußte nicht, welchen Houdini-Trick er benutzt hatte, doch nachdem er einige Minuten lang herumgefummelt hatte, ließ die Spannung des Stricks plötzlich nach. Kuwale zerrte heine Arme hervor und streckte sie weit auseinander.
    Ich empfand unweigerlich ein reines, dümmliches Hochgefühl – doch ich wartete auf das unvermeidliche Geräusch von Schritten auf dem Deck. Wenn dieser Raum ständig von Infrarotkameras überwacht wurde, hätte die Software unser Tun sofort registriert.
    Es blieb weiterhin still. Unsere Entführung mußte eine spontane Entscheidung gewesen sein, nachdem sie meine Nachricht an Kuwale abgefangen hatten. Wenn genügend Zeit zur Planung vorhanden gewesen wäre, hätten sie zumindest Handschellen zur Verfügung gehabt. Vielleicht war ihre Überwachungstechnik angesichts dieser Umstände genauso unzulänglich wie ihre Stricke und Netze.
    Kuwale erschauderte vor Erleichterung – ich beneidete hie, denn meine Schultern waren schmerzhaft verkrampft – dann zwängte er heine Hände wieder in den Spalt.
    Der Polymerstrick war glatt und fest verknotet, und Kuwales Fingernägel kurzgeschnitten (trotzdem gruben sie sich mehrere Male in meine Haut). Als meine Hände endlich frei waren, verspürte ich eher Enttäuschung, denn meine Begeisterung war schon vor einiger Zeit verflogen, und ich wußte, daß wir nicht die geringste Fluchtchance hatten. Doch alles andere war besser, als in der Dunkelheit zu hocken und darauf warten zu müssen, daß mir die Ehre zuteil wurde, der Welt Mosalas Tod zu verkünden.
    Das Netz bestand aus einem intelligenten Kunststoff, dessen Gegenseiten selektiv aneinanderhafteten – vermutlich zur leichteren Reparatur –, und die Haftung war genauso stark wie das Material selbst. Wir waren mit den Armen hinter dem Rücken eingewickelt worden, doch nachdem sie jetzt frei waren, gab es ein wenig Spielraum – etwa vier oder fünf Zentimeter. Wir kamen unbeholfen auf die Beine, während unsere Schuhe auf dem Algenschleim abrutschten. Ich atmete aus und zog den Bauch ein, während ich froh über die Fastenkur war, die ich hinter mir hatte.
    Die ersten paar Versuche schlugen fehl. In der Dunkelheit mußten wir zehn oder fünfzehn Minuten lang mühsam herumprobieren, bis wir eine Stellung gefunden hatten, bei der unser gemeinsamer Körperumfang von oben bis unten am geringsten war. Es kam mir wie die anstrengenden und verrückten Aktivitäten vor, denen sich die Kandidaten von Gameshows im Heil-Network unterzogen. Als das Netz schließlich den Boden berührte, hatte ich fast jegliches Gefühl in den Waden verloren. Ich ging ein paar Schritte durch den Frachtraum und wäre beinahe umgekippt. Ich hörte das leise Klicken von Fingernägeln auf Plastik. Kuwale beschäftigte sich bereits mit den Stricken um heine Füße. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, meine Beine ein zweites Mal zu fesseln. Ich ging ein paar Meter in der Dunkelheit, um meine Muskeln zu lockern und die flüchtige Illusion der Freiheit zu genießen, solange sie mir gewährt wurde.
    Ich kehrte zu Kuwale zurück und beugte mich herab, bis ich das Weiße in heinen Augen sehen konnte. Hie drückte

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