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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Anthrokosmologisten jetzt machen? Jeden Physiker der Welt umbringen?« Ich blickte zu De Groot auf, die die Lippen zusammengekniffen und eine aschfahle Gesichtsfarbe bekommen hatte. Mosala stöhnte auf. »Schaut nicht mit einer solchen Trauermiene drein, ihr beiden! Ich habe mich nur gegen alle Eventualitäten abgesichert.«
    Sie schloß die Augen. Ihr Atem ging unregelmäßig, aber sie lächelte immer noch. Ich blickte auf den Monitor. Ihre Temperatur lag bei 40,9 Grad.
    Wir hatten die Stadt hinter uns gelassen. In den Fenstern der Ambulanz waren nur unsere eigenen Spiegelbilder zu sehen. Die Fahrt war ruhig, und der Motor nahezu lautlos. Nach einer Weile glaubte ich, den Riff-Fels zu hören, wie er durch ein fernes Bohrloch ausatmete – doch dann wurde mir klar, daß es das Geräusch des sich nähernden Flugzeugs war.
    Mosala hatte das Bewußtsein verloren, und niemand versuchte, sie zu wecken. Wir erreichten den vereinbarten Treffpunkt, und ich stieg hastig aus, um die Landung zu filmen – weniger aus Professionalität, sondern eher aufgrund des Versprechens, das ich gegeben hatte. Das Flugzeug senkte sich vertikal herab, knapp vierzig oder fünfzig Meter von uns entfernt. Im Mondlicht war der graue Rumpf kaum zu erkennen, doch die VTOL-Triebwerke bliesen einen feinen Staub aus der Matrix des Kalksteins, der auf der Haut kribbelte. Ich wollte diesen Augenblick des Triumphes auskosten, doch der Anblick des schlanken Militärflugzeugs, das in der Dunkelheit im Nirgendwo landete, raubte mir jede Illusion. Ich stellte mir vor, daß es mit einer Evakuierung durch die Marine genauso sein würde, wenn die Außenwelt sich heranschlich, ihre Leute abholte und wieder verschwand. Die Anarchisten blieben sich selbst überlassen.
    Die zwei Männer, die zuerst ausstiegen, trugen Offiziersuniformen und Waffen, aber sie mochten genausogut Ärzte sein. Sie unterhielten sich mit ihren zivilen Kollegen, um sich abzusprechen, doch ihre Stimmen waren im Summen der Strahltriebwerke nicht zu verstehen. Immer noch wurde zur Kühlung Luft durch die gelandeten Motoren gejagt. Dann kam ein schlanker junger Mann in zerknitterter Zivilkleidung zum Vorschein. Er sah ausgezehrt und desorientiert aus. Ich brauchte einige Sekunden, um ihn zu erkennen: Es war Mosalas Ehemann Makompo.
    De Groot begrüßte ihn. Sie umarmten sich schweigend. Ich blieb im Hintergrund, während sie ihn zur Ambulanz führte. Ich wandte mich ab und schwenkte über den grau-silbernen Riff-Fels. Vereinzelte Fäden aus Spurenelementen fingen das Mondlicht ein, und die Fläche schimmerte wie der Schaum auf einem unglaublich stillen Ozean. Als ich mich wieder umdrehte, bugsierten die Soldaten Mosala auf einer Trage ins Flugzeug. Makompo und De Groot folgten ihnen. Ich fühlte mich plötzlich sehr müde.
    De Groot kam noch einmal zurück und rief mir zu: »Kommen Sie mit uns? Die Leute sagen, es wäre genügend Platz da.«
    Ich starrte sie an. Was hielt mich hier noch zurück? Mein Vertrag mit SeeNet besagte, daß ich ein Porträt über Mosala machen sollte. Von einer Dokumentation des Untergang von Stateless war keine Rede. Das unsichtbare Insekt hatte mir verboten, an Bord des Flugzeugs zu gehen – aber würden die Söldner jemals davon erfahren, wenn ich es doch tat? Dumme Frage: Im Freien konnten militärische Satelliten von jedem Menschen praktisch einen Fingerabdruck nehmen und ihre Gespräche von den Lippen ablesen, alles in Infrarot. Aber würden sie so weit gehen und das Flugzeug abschießen – und damit die gesamte PR-Vereinbarung kippen und Vergeltungsmaßnahmen provozieren –, nur um einem unbedeutenden Journalisten auf die Finger zu klopfen? Nein.
    »Ich würde gerne mitkommen«, sagte ich. »Aber hier gibt es jemanden, den ich nicht zurücklassen kann.«
    De Groot nickte. Sie brauchte keine weiteren Erklärungen und schüttelte mir lächelnd die Hand. »Dann wünsche ich Ihnen beiden viel Glück. Ich hoffe, wir sehen uns bald in Kapstadt.«
    »Dito.«
     
    Die beiden Ärzte schwiegen, als wir zum Krankenhaus zurückfuhren. Ich war mir sicher, daß sie über den Krieg reden wollten – aber nicht vor einem Fremden. Ich sah mir die Aufnahmen an, die ich mit der Schulterkamera gemacht hatte, da ich der ungewohnten Technik noch nicht richtig traute, und überspielte sie dann auf meine Konsole in Sydney.
    In der Stadt drängten sich mehr Menschen als je zuvor, obwohl jetzt nicht mehr so viele Leute unterwegs waren. Die meisten hatten ihr Lager auf den Straßen

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