Qual
Augen und biß die Zähne zusammen, um nicht vor Verzweiflung aufzuschreien. Nachdem wir all die Mühen unternommen hatten, Mosala von der Insel fortzubringen, hätte sich auch Buzzo ohne Schwierigkeiten retten können. Nur ein paar Worte, mit denen er den Fehler in seiner Arbeit zugab, und er wäre noch am Leben.
Doch es war nicht sein Stolz, der ihn getötet hatte, es war sein Recht gewesen, dickköpfig zu sein und seine Theorie zu verteidigen, ob sie nun fehlerhaft war oder nicht. Er war nur aus einem einzigen Grund tot: weil irgendein psychotischer AK ihn für die Aufrechterhaltung der Illusion von Transzendenz geopfert hatte.
Im zweiten Schlafzimmer fand ich zwei U-männliche Leibwächter. Einer war angezogen, der andere hatte vermutlich geschlafen. Beiden hatte man ins Gesicht geschossen. Ich stand unter Schock – es war eher Benommenheit als Übelkeit –, doch ich besaß noch soviel Geistesgegenwart, um die Kamera einzuschalten. Vielleicht würde es irgendwann einen Prozeß geben, und wenn das Hotel in Trümmern lag, gäbe es keine anderen Beweise mehr. Ich betrachtete die Leichen aus der Nähe und ging dann durch alle Zimmer, während ich wahllos die Kamera herumschwenkte, in der Hoffnung, genügend Einzelheiten für eine vollständige Rekonstruktion einzufangen.
Die Tür vom Bad war verriegelt. Ich empfand plötzlich eine idiotische Hoffnung – vielleicht war eine vierte Person Zeuge des Verbrechens geworden und hatte sich hier verstecken können. Ich rüttelte am Türgriff und wollte bereits ein paar beruhigende Worte rufen, als meinem getrübten Geist mit einem Mal die Bedeutung der Tatsache klar wurde, daß jemand die Vordertür mit einer Kette gesichert hatte.
Ich stand einige Sekunden lang erstarrt da und wollte es zunächst nicht glauben. Dann hatte ich zuviel Angst, um mich rühren zu können.
Denn ich hörte jemanden atmen. Flach und leise – aber nicht leise genug. Aufgeregt, aber bemüht, sich zu beruhigen. Nur Zentimeter von mir entfernt.
Ich konnte den Türgriff nicht mehr loslassen, denn meine Finger hatten sich darum verkrampft. Ich legte meine linke Hand flach auf die kühle Oberfläche der Tür, ungefähr dort, wo sich das Gesicht des Mörders befinden mußte – als hoffte ich, die Konturen wahrzunehmen, die Distanz zwischen Haut und Haut abzuschätzen, indem ich die Resonanz zwischen den Nervenenden ertastete.
Wer war es? Wen hatten die Extremisten geschickt, um den Mordplan auszuführen? Wer hatte die Gelegenheit gehabt, mich mit der manipulierten Cholera zu infizieren? Irgendein Fremder, dem ich in der Transitlounge von Phnom Penh begegnet war, oder jemand im überfüllten Basar des Flughafens von Dili? Der polynesische Geschäftsmann, der während der letzten Flugetappe neben mir gesessen hatte? Indrani Lee?
Ich zitterte vor Entsetzen, während ich überzeugt war, daß innerhalb der nächsten Sekunden eine Kugel meinen Kopf zerschmettern würde. Trotzdem drängte es mich mit unwiderstehlicher Kraft dazu, die Tür aufzubrechen und zu sehen.
Ich konnte diesen Augenblick live ins Net übertragen – und würde im selben Augenblick der Erkenntnis sterben.
Als eine weitere Granate in der Nähe explodierte, liefen so heftige Erschütterungen durch das Gebäude, daß sich der Türrahmen beinahe vom Schloß losriß.
Ich drehte um und floh.
Die Prozession, die die Stadt verließ, war eine Tortur, aber es schien nicht schlimmer zu sein, als es sein mußte. Von meiner Froschperspektive aus wirkte jeder in der Menge genauso erschrocken, klaustrophobisch und verzweifelt wie ich. Doch jeder behielt hartnäckig und trotzig die Geduld, jeder rückte langsam vor, wie ein Neuling auf dem Drahtseil, berechnete jeden Schritt, jede Bewegung und schwitzte in der Anspannung zwischen Angst und Zurückhaltung. Kinder weinten irgendwo, doch die Erwachsenen in meiner Nähe sprachen in reserviertem Flüsterton, wenn gerade keine Granate den Erdboden erzittern ließ. Ich wartete darauf, daß unmittelbar vor uns ein Apartmentblock kollabierte und einhundert Menschen unter sich begrub und weitere hundert unter der panischen Flucht zertrampelt wurden. Doch es kam nicht dazu, und nach zwanzig furchtbaren Minuten hatten wir die Feuerzone hinter uns gelassen.
Die Prozession bewegte sich weiter. Längere Zeit waren wir eine dichtgedrängte Herde, Schulter an Schulter, der keine andere Wahl blieb, als im Gleichschritt weiterzumarschieren. Doch sobald wir die ausgebauten Vorstädte verlassen hatten und
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