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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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wischt sich über die Augen. »Es tut mir
leid. Ich bin dir sehr dankbar. Es ist nur so … komisch. Aber ich danke dir
aufrichtig für den heutigen Abend.«
    Er lächelt ein wenig.
    »Gern geschehen. Siehst du, manchmal ist es doch gut, wenn man das
tut, was man will.«
    »Aber nicht immer«, schränkt sie ein.
    »Nein.« Der Dieb seufzt. »Vielleicht nicht immer. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht«, sagt Mieli, unterdrückt noch ein Kichern und wendet
sich zum Gehen.
    Ein heftiger Ruck in ihrem Gevulot erinnert sie jäh daran, dass noch
jemand mit im Raum ist.
    »Du meine Güte«, sagt eine Stimme. »Ich störe doch hoffentlich
nicht?«
    Auf dem Balkon, auf dem Platz des Diebs, sitzt ein Mann und raucht
eine Zigarre. Der stechende Geruch ist wie eine schlechte Erinnerung. Der Mann
ist jung und hat schwarzes, straff zurückgekämmtes Haar. Seinen Mantel hat er
über den Stuhl gelegt, die Hemdsärmel sind aufgekrempelt. Er grinst sie an und
zeigt dabei eine Reihe scharfer weißer Zähne.
    »Ich finde, es ist an der Zeit für einen kleinen Plausch«, sagt er.

14   Der Detektiv und der Architekt
    Isidore steht zum zweiten Mal vor Unruhs Leichnam. Jetzt
sieht der tote Millenar nicht mehr so friedlich aus wie in der Nacht zuvor:
Sein bleiches Gesicht ist zu einer grässlichen Fratze verzerrt, und er hat rote
Male auf Stirn und Schläfen. Die Finger sind zu Klauen gekrümmt.
    In der Krypta ist es kalt, und Isidores Atem dampft. Durch das
eingeschlossene Gevulot erscheint alles unwirklich und glitschig, und das
Schweigen der drei Wiedererwecker, die ihn hierher geleitet haben, macht es
nicht besser. Die rot gewandeten Gestalten stehen, die Gesichter von Gevulot
und Finsternis verhüllt, unnatürlich reglos daneben, ohne mit den Füßen zu
scharren und scheinbar auch ohne zu atmen.
    »Ich bin sehr dankbar, dass ich hier herunterkommen durfte«, wendet
er sich an die Gestalt mit dem goldenen Unendlichkeitssymbol auf ihrer – oder
seiner? – Brust. »Mir ist durchaus bewusst, wie … ungewöhnlich das ist.«
    Er bekommt keine Antwort. Dabei ist er fast sicher, dass der
Wiedererwecker derselbe ist, mit dem er zuvor im Haus der Auferstehung
gesprochen hat, nachdem ihm klar geworden war, was der Dieb plante. Nach dem
Stadtbeben brachten sie ihn dann hierher, um ihm zu zeigen, was geschehen war,
aber seitdem hat niemand mehr ein Wort gesprochen.
    Es war die logische Schlussfolgerung gewesen: die einzig denkbare
Erklärung für den Diebstahl einer derart kleinen Menge ZEIT lautete, dass man sie wieder zurückgeben wollte, um in der Unterwelt irgendein
Verbrechen zu begehen. Armer Unruh. Doch die Teile
fügen sich immer noch nicht zu einem Bild, und das lässt Isidore keine Ruhe.
    Er studiert die Szene mit seinem Vergrößerungsglas. Auf dem Boden
finden sich zwei Sorten Konservierungsgel in unterschiedlichen Stadien der
Gerinnung: das Gel von Unruh und ein anderes. Das passt zu seiner Theorie, wie
der Dieb hier eindringen konnte: Er stellte sich irgendwie tot und öffnete dann
einem schwer bewaffneten Komplizen einen Eingang. Der Detektiv nimmt sich vor,
die Exospeicher aller memento-mori- Agoren
durchzusehen, die von den ZEIT -Bettlern zum
Sterben aufgesucht werden.
    Er findet auch Spuren von bizarren künstlichen Zellen – viel
komplexer als alles, was von einem Biosynth-Körper der Oubliette stammen könnte
– unter Unruhs Fingernägeln. Eindeutige Anhaltspunkte für einen Kampf. Und die
Male auf seinem Kopf und die winzigen Schäden in seinem toten Hirn weisen auf
einen erzwungenen Upload hin.
    »Wäre es möglich, ihn zurückzuholen, nur für eine Minute?«, fragt
Isidore die Wiedererwecker. »Mithilfe seiner Aussage könnten wir ermitteln, was
hier eigentlich geschehen ist.« Es wundert ihn nicht, dass die rot gewandeten
Hüter der Unterwelt nur mit Schweigen antworten: Sie sind zu keinem Verstoß
gegen die Wiedererweckungsgesetze bereit, nicht einmal, um ein Verbrechen
aufzuklären.
    Isidore geht auf und ab und denkt nach. Einer der Wiedererwecker
kümmert sich um den beschädigten Schweiger, der vom Komplizen des Diebs
angegriffen wurde. Isidore hat sich die Kugel bereits angesehen. Der kleine
Diamantsplitter mag einmal eine innere Struktur gehabt haben, doch jetzt ist
alles zu einer festen Masse verschmolzen.
    Was ihn vor allem stört, ist das fehlende Motiv. Erst der
Zwischenfall auf der Party und nun dies: Er sieht keinerlei Gemeinsamkeiten mit
den Fällen von Gogol-Piraterie, über die er gelesen oder mit denen er zu

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