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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Verschmierens zu vermeiden?
    Ich starre in den grauen Himmel, dann mache ich mich auf den Weg in die Stadt.
     
    Bei Morgengrauen ist es wohl nicht länger zu bezweifeln: Ich bin kollabiert, ich bin derjenige, der überlebt hat. Auch jede andere, erfolgreiche Version von mir würde inzwischen kollabiert haben – und so bedeutet die bloße Tatsache meiner Existenz, daß ich wirklich versagt habe. Es ist nicht wiedergutzumachen.
    Die Sonne steigt rasch in die Höhe über dem Golf von Carpentaria, wie ein Flammenmeer bricht es durch die Lücken zwischen den Wolkenkratzern – und wohin ich mich wende, funkelt es mir aus tausendfachen Spiegelungen entgegen. Der Kopf dröhnt, alle Glieder schmerzen. Keineswegs wünsche ich, tot zu sein – ich wäre nur lieber ein ganz anderer. Wie soll ich mich an meiner Wiedergeburt freuen, wenn der Preis dafür so hoch war?
    Vielleicht gibt es noch immer einen Ausweg. Vielleicht habe ich nicht versagt – vielleicht habe ich tatsächlich die ganze Pfütze mit Entamoeba ausgeräuchert. Aber wie konnte mein verschmiertes Ich wissen, daß ich das getan habe – und selbst wenn: Warum hat es einen so unwahrscheinlichen Weg zum Erfolg gewählt statt einen der vielen anderen möglichen, bei denen der Glaskolben erst gar nicht zu Bruch ging?
    Die Antwort ist: Es hat die Katastrophe nicht verhindert. Es hat mit Bedacht einen Zustand ausgewählt, in dem die Überträgerorganismen freigesetzt wurden. Es muß ihm schließlich klargeworden sein, welche Konsequenzen es zu befürchten hatte: daß es nie wieder Gelegenheit haben würde, aus den >Hologrammen< in meinem Schädel wiederzuerstehen. Der Geist, der alle meine Wünsche erfüllte, würde für immer in der Flasche bleiben. Was habe ich erwartet? Daß es sich eigenhändig um seine >Freiheit< bringen würde – oder wie immer es die Welt jenseits der Barriere in Worte zu fassen versuchte? Und nur, weil eine einzige >Zelle< seines Körpers, ein Atom seines kleinen Fingers, ein unbedeutender Teil in einer unübersehbaren Vielfalt es so wünschte?
    Ich kaufe mir Frühstück, hinterlasse ein Trinkgeld von zehntausend Dollar und gehe nach Hause, um auf das Ende der Welt zu warten.
     
    Ich durchblättere die Nachrichtenseiten nach einem Indiz, daß die Seuche sich schon ausgebreitet hat, doch nehme ich kaum wahr, was ich lese. Fatalismus und lächerlich unsinniger Optimismus wechseln einander ab; zwischendurch meldet sich ein unbedachter, heftiger Wunsch, sich der schieren Fremdartigkeit dieser neuen Welt ohne Vorbehalt einzuverleiben. Dann folgt die stumpfsinnige, hartnäckige Weigerung, zu glauben, was auf uns zukommen könnte. Ich blicke aus dem Fenster auf die Stadt, die aussieht wie immer, und sage mir: Es ist die Menschheit, die dies aufrechterhält, in jeder einzelnen Mikrosekunde… und das schon seit Tausenden von Jahren. Muß es da nicht ein stabiles Fundament geben, eine Art Trägheit, eine Wirklichkeit, die störrisch auf sich selbst beharrt?
    Und warum sollte es? Glaube ich wirklich, daß wir durch dieses immerwährende Kollabieren unbelebter Materie ihre Fähigkeit zum Verschmieren zerstört haben? Sie uns gefügig gemacht haben, eine Art metaphysischer Imperialismus? Und glaube ich wirklich, daß die solide materielle Welt, die wir so geschaffen haben, uns hilft, sie aufrechtzuerhalten? Die Wahrheit ist, daß sie in demselben Augenblick, in dem wir sie aus ihrer Einmaligkeit entkommen lassen, sich in Milliarden Varianten auflöst, wie es ihr seit Beginn des Universums angeboren ist.
    Wenn es nun einmal geschehen wird – ich weiß nicht, wie ich mich in diesen letzten Stunden betäuben kann, wie ich sie mir erträglich machen soll. Die alten Mittel funktionieren nicht mehr; der bloße Gedanke, mich mit einem Modul zu trösten, ist abstoßend – obwohl ich meine Erfahrungen auf diesem Gebiet durchaus vor Augen habe. Ich habe nicht das Loyalitätsmodul vergessen, das meinem Leben Sinn gab; auch nicht Karen, das mich kein bißchen weniger glücklich sein ließ, als man mit einem liebenden Partner zusammen sein kann. Und obwohl ich keine Sekunde lang dieses synthetische Glück zurückwünsche – dieses obszöne Spiel mit Gefühlen –, so fehlt mir nun etwas, was ich an seine Stelle setzen könnte. Wie sollte ich auch? Es gibt mich erst seit einigen Stunden. Ich bin kein unterdrückter Teil meines früheren Ichs, kein verdrängter Aspekt meiner Persönlichkeit, der endlich an die Oberfläche gelangt ist: Ich bin ein Fremder in meinem

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