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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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manipulieren konnten, damit sie nicht kollabierte, damit sie Eigenzustände auswählen konnte, wenn sie nicht auch verschmierte Menschen gewesen wären?«
    »Aber…«
    »Der Kollaps ist räumlich beschränkt; es gibt Eigenzustände, die davon unbehelligt weiterexistieren. Glauben Sie nicht, daß einige davon auch menschliche Wesen enthalten? Die Barrieren-Erbauer sind solche Überreste von uns selbst – Versionen, die so unwahrscheinlich sind, daß sie auch den Kollaps überleben konnten. Alles, was ich will, ist die Chance, wie sie zuwerden.«
    Mir dröhnt der Kopf. Mein Blick fällt wieder auf den Glaskolben. So dicht er auch verschlossen ist, ich würde mich viel wohler fühlen, wenn er in einem Säurebad oder einem Verbrennungsofen läge.
    Ich gebe ihm einen Wink mit der Pistole. »Setzen Sie sich auf den Stuhl da. Ich werde Sie wohl sicherheitshalber erst mal fesseln, bis ich weiß, wie man das Mistzeug loswerden kann.«
    »Bitte, Nick, nur…«
    Ganz ruhig sage ich: »Hören Sie – wenn Sie Schwierigkeiten machen, werde ich Sie erschießen. Ich kann nicht riskieren, daß Sie mir erst noch das Zimmer demolieren. Wenn Sie mich zwingen, die Pistole zu benutzen, dann werden Sie tot sein. Also gehen Sie und setzen Sie sich hin.«
    Er tut, als wollte er gehorchen, dann zögert er. Mir wird plötzlich bewußt, daß er viel näher am Tisch ist als ich. Nicht, daß er nur den Arm auszustrecken bräuchte, aber ein rascher Schritt…
    Er sagt: »Denken Sie noch einmal darüber nach, mehr verlange ich doch gar nicht! Was könnte uns nicht alles erwarten jenseits der Barriere… die unglaublichsten Dinge, wahre Wunder, Träume, die Wirklichkeit werden!« Sein Gesicht glüht vor Begeisterung, von Kummer und Gewissensqual keine Spur mehr. Vielleicht hat er den inneren Zwiespalt endgültig überwunden, vielleicht konnte jener Teil von ihm, der die ganze Zeit wußte, daß die >wahre INITIATIVE< nichts weiter als eine Entgleisung des Gehirns war, den Widerspruch nicht länger ertragen. Oder vielleicht hat das Loyalitätsmodul den wahren Lui Kiu-chung endgültig besiegt.
    Ich sage freundlich: »Ich habe so viele Wunder gesehen, wie ich eben noch ertragen kann.«
    »Es muß auch Zustände geben, in denen Ihre Frau…«
    Ich unterbreche ihn grob. »Ist es das, worauf dieser Himmel-auf-Erden-Quatsch hinauslaufen soll? Emotionale Erpressung?« Mein Lachen klingt müde. »Nun werden Sie nicht pathetisch. Ja, meine Frau ist tot. Und soll ich Ihnen was verraten? Es ist mir scheißegal!«
    Das hat ihn sichtlich getroffen – und ich bin kein bißchen überrascht; wenn er wirklich geglaubt hat, mich damit beeindrucken zu können, dann habe ich ihn seiner letzten Hoffnung beraubt. Aber er scheint sich sehr schnell damit abzufinden, wirkt nun ruhig und fast abgeklärt.
    Er sieht mir in die Augen und sagt: »Nein, das ist es nicht.«
    Mit gestrecktem rechten Arm macht er einen Satz nach vorn. Der Laser bohrt ein Loch in seinen Schädel, er stolpert zur Seite, fällt, ohne den Tisch mehr als nur leicht angestoßen zu haben.
    Der Glaskolben hat sich nicht bewegt, der Magnet rotiert noch immer lautlos am Gefäßboden.
    Ich gehe um den Tisch herum und knie mich neben ihn. Die Wunde ist genau oberhalb der Augen, ein Loch mit verkohltem, schwarzem Rand, ein Zentimeter groß. Es stinkt nach verbranntem Fleisch. Mein Magen rebelliert. Ich habe noch nie jemanden getötet, auf jemanden geschossen oder vor einer Leiche gekniet, ohne aktiviert zu sein. Und ich hätte ihn nicht töten müssen, ich hätte besser aufpassen sollen.
    Verdammter Mist, er konnte doch nichts dafür! Die INITIATIVE schon und Laura auch. Laura, die Fremde, die das alles hier nichts angeht. Die passive Beobachterin. Sie vor allem hätte ihn vor seinen eigenen Ideen retten müssen.
    Ich hätte besser aufpassen, ihn vom Tisch fernhalten sollen…
    Und vielleicht habe ich es ja getan.
    Bei dem Gedanken kribbelt es auf meiner Haut, es ist die Angst. Vielleicht habe ich es auch getan. Ich bin sogar ziemlich sicher. Und wen wird mein verschmiertes Ich jetzt auswählen? Mich – oder diesen Blutsverwandten, der geschickter war als ich?
    Was wäre mir denn lieber?
    Ich starre auf Luis blutiges Gesicht. Ich kannte ihn kaum… aber was würde es mich kosten, ihn wieder zum Leben zu erwecken? Zwei Minuten meiner eigenen Lebenszeit würde es kosten, nicht mehr. Eine Gedächtnislücke, nicht länger als für ein Augenzwinkern. Wie viele Stunden habe ich denn schon verloren – wenn man

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