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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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verprügelt?«
    »Offensichtlich. Sie hat mich angefleht, mich nicht einzumischen, nicht ›einen auf großer Bruder machen‹, wie sie sich ausdrückte. Aber ich war damals gerade schwer damit beschäftigt, die Welt vor allem Schlechtem zu retten. Wenn ich einen Ted Galliano in der Öffentlichkeit bloßstellen konnte, warum sollte ich dann einem Trailerpark-Cowboy solche Sachen durchgehen lassen? Also habe ich Porrys Adresse im Telefonbuch nachgeschlagen und bin rausgefahren, während sie bei der Arbeit war. Der Typ war natürlich zu Hause. Er machte eigentlich keinen sehr gefährlichen Eindruck, knapp eins achtzig, dünne Arme, auf der rechten Seite ein Rosentattoo. Er sah aus, als hätte er den bisherigen Tag damit verbracht, ein Sechserpack niederzumachen und einen Motor zu ölen, war ziemlich aggressiv, aber ich habe ihm einfach meinen Unterarm unters Kinn geschoben, ihn gegen den Trailer gedrückt und ihm gesagt, dass er es mit mir zu tun bekäme, wenn er Portia noch einmal anrühren würde. Er wurde dann plötzlich sehr kleinlaut und fing tatsächlich sogar an zu heulen. Er meinte, er könne nichts dafür, es sei der Alkohol, he, Alter, du weißt doch selbst, wie es ist. Er sagte, er würde sich in Zukunft am Riemen reißen. Und ich bin weggefahren in dem Glauben, ich hätte etwas Gutes bewirkt. Auf dem Weg aus der Stadt raus habe ich bei dem Büro angehalten, wo Porry arbeitete, und ihr einen Scheck dagelassen, eine kleine Starthilfe für ihre Unabhängigkeit. Zwei Tage später bekam ich einen Anruf von der Notfallstation in Seattle. Sie war schwer zusammengeschlagen worden und hatte Hirnblutungen – und sie ist noch in derselben Nacht gestorben. Ihr Freund hat den Trailer abgefackelt und die Stadt auf einem gestohlenen Motorrad verlassen. Soweit ich weiß, sucht die Polizei noch immer nach ihm.«
    »O Gott, Chris, entschuldige … das tut mir so leid!«
    »Nein, ich entschuldige mich. Es ist keine gute Geschichte für eine stürmische Nacht.« Er berührte ihre Hand. »Sie hat nicht mal eine Moral, außer ›so ist das Leben nun mal‹. Aber wenn ich ein bisschen zögerlich gewirkt habe, mich in deinen Konflikt mit Ray einzumischen …«
    »Das verstehe ich. Und ich bin wirklich dankbar für deine Hilfe. Aber, Chris? Ich werde mit Ray fertig. Mit oder ohne deine Hilfe. Lieber natürlich mit, aber … verstehst du?«
    »Du willst mir sagen, dass du nicht Portia bist.«
    Es war kein Licht im Zimmer mehr außer dem Nachschimmern der untergegangenen Sonne auf UMa47/E. Subjekt hatte sein Nachtlager aufgeschlagen. Oberhalb der Schluchtwände standen Sterne in Konstellationen, die keinen Namen hatten, keinen Namen auf der Erde jedenfalls.
    »Ich will dir sagen, dass ich nicht Portia bin. Und ich will dir eine Tasse Tee anbieten. Interesse?«
    Sie nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm in die Küche, wo das Fenster weiß war vom Schnee und der Kessel bald darauf den Kontrapunkt sang zum Heulen des Windes.

 
Fünfundzwanzig
     
     
    Sue Sampel war hellwach, als es an der Tür klingelte, obwohl es schon weit nach Mitternacht war – fast drei nach ihrer Armbanduhr.
    Angesichts des Sturms draußen und der nervösen Energie, die sie bei ihrem Übergriff auf Rays Büro geladen hatte, war an Schlaf nicht zu denken. Sebastian, der Gute, war gegen Mitternacht nach oben gegangen und auf der Stelle eingeschlafen. Sie hatte es sich mit seinem Buch, sozusagen als stellvertretendem Gesellschafter, gemütlich gemacht. Mit dem Buch und außerdem einem großen Cognacschwenker voll Pfirsichbrandy.
    Das Buch allerdings machte beim zweiten Durchgang einen deutlich weniger stichhaltigen Eindruck. Es war schön geschrieben und steckte voller verblüffender Ideen, aber es traten jetzt doch einige Lücken und Sprünge in der Logik hervor. Vermutlich war es das, was Elaine Coster auf die Palme getrieben hatte: Sebastians fröhliche Vorliebe für haarsträubende Hypothesen.
    Zum Beispiel erklärte Sebastian in dem Buch, dass das, was man gemeinhin als »das Vakuum des Raumes« bezeichnete, mehr sei als bloß eine Abwesenheit von Materie: nämlich ein komplexes Gebräu von virtuellen Partikeln, die ihre eben begonnene Existenz zu schnell wieder beendeten, um mit der gewöhnlichen Substanz der Dinge zu interagieren. Das war noch vereinbar mit Sues Erinnerung an ihren Physik-Grundkurs. Sie vermutete aber, dass Sebastian sich wissenschaftlich auf weniger festem Boden bewegte, wenn er behauptete, dass örtlich zu definierende

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