Quarantaene
Glück.«
»Danke. Und danke, dass Sie Tess Gesellschaft leisten. Egal wie, ich werde zurück sein, bevor sie zu Bett geht.«
Sie eilte aus dem Haus.
Im Interesse der journalistischen Kameradschaft rief Chris Elaine an und berichtete von der sich im Auge entwickelnden Krise. Sie sagte, sie wolle sehen, was sie herausfinden könne. »Die Sache wird merkwürdig«, sagte sie. »Ich kriege dieses Luken-dichtmachen-Gefühl.«
Er musste zugeben, dass er selbst ein bisschen unruhig war. Fast vier Monate Quarantäne inzwischen, und das bedeutete, so hartnäckig man auch versuchen mochte, den Vorgang zu ignorieren oder zu rationalisieren, dass etwas ungeheuer Schwerwiegendes passierte – vielleicht draußen, vielleicht drinnen. Etwas Schlimmes, etwas Gefährliches, etwas derzeit noch Verborgenes, das irgendwann unter dramatischem Getöse ans Tageslicht kommen würde.
Als Geschäftsführerin des Bekleidungsgeschäfts im Einkaufszentrum von Blind Lake befand sich Mrs. Colangelo seit der Abriegelung praktisch im Ruhestand. Sie stellte Chris ihren kleinen limettengrünen Marconi-Roadster zur Verfügung, und Tess packte ihren altmodischen Holzschlitten in den Kofferraum. Die meisten Kinder benutzten Snowtubes oder Schlitten aus Plastik, erläuterte Tess, aber sie hatte dieses Gerät (ein echt originaler Rodelschlitten, wie sie beteuerte) in einem Trödelladen entdeckt und ihre Mutter angefleht, es zu kaufen. Das war noch in Crossbank gewesen, wo es hügeliger war als in Blind Lake, aber auch ziemlich dicht bewaldet – hier konnte man wenigstens nicht gegen irgendwelche Bäume fahren.
Noch immer stellte Tess ein gewisses Rätsel für Chris dar. In vielerlei (vielleicht allzu vieler) Hinsicht erinnerte sie ihn an seine Schwester Portia – der Eigensinn, die Unberechenbarkeit, die gelegentliche Kratzbürstigkeit. Aber Portia hatte viel und gerne geredet, vor allem, wenn sie etwas entdeckt hatte, für das sie sich begeistern konnte. Tess aber sprach nur sporadisch.
Auch jetzt schwieg sie in den ersten fünf Minuten der Fahrt, doch offenbar dachte sie währenddessen auch an Portia. »Ist deine Schwester je rodeln gegangen?«, fragte sie schließlich.
Seit dem Fenstervorfall war sie mehrfach zu ihm gekommen, um weitere Porry-Geschichten zu hören. Als Einzelkind schien Tess fasziniert davon, sich Chris als älteren Bruder vorzustellen – weniger als ein Elternteil, mehr als einen Freund. Sie schien zu glauben, dass Portia ein zauberhaftes Leben geführt habe. Dem war nichts so. Portia lag auf einem verregneten Friedhof in Seattle begraben, Opfer der tödlichen Krankheit des Erwachsenseins in ihrer gravierendsten Ausprägung. Das sagte er Tess natürlich nicht. »Dort wo wir aufgewachsen sind, hat es nicht viel geschneit. Das Einzige in Richtung Rodeln, was wir gemacht haben, war Snowtubing in einem kleinen Ferienort in den Bergen.«
»Mochte Portia das?«
»Zuerst nicht. Zuerst hatte sie ziemliche Angst. Aber nach ein paar Abfahrten fand sie dann doch, dass es Spaß macht.«
»Ich glaube, sie mochte es«, sagte Tessa. »Außer dass man davon anfängt zu frieren.«
»Das stimmt, die Kälte mochte sie nicht so gern.«
Elaine hatte ihm vorgeworfen, er würde bei Marguerite »einen auf Häuslichkeit machen«. Er fragte sich, ob das stimmte. In den letzten Wochen war er in der Tat zu einem nicht ganz unbedeutenden Teil von Marguerite und Tessa Hausers Universum geworden, fast wider Willen. Nein, das war falsch; nicht wider Willen; vielmehr hatte er jeden einzelnen Schritt willentlich und bewusst gemacht. Aber die Schritte hatten sich zu einer so ganz gewiss nicht geplanten Reise summiert.
Noch war er nicht mit Marguerite ins Bett gegangen, aber sämtliche Signale, die er auffing und lesen konnte, zeigten an, dass es genau das war, wo ihn die Reise hinführen würde. Und es ging dabei durchaus nicht um ein nettes kleines, zeitlich begrenztes Geschäft auf Gegenseitigkeit, einen One-Night-Stand oder auch eine offizielle Abriegelungsromanze, einen Austausch von Wärme ohne weitere – ob stillschweigend oder explizit eingegangene – Verpflichtung. Nein, der Einsatz war höher, sehr viel höher.
Wollte er das?
Er mochte Marguerite, er mochte alles an Marguerite. Jede Unterhaltung zu später Stunde – und davon hatte es zuletzt eine Menge gegeben – hatte sie ihm näher gebracht. Sie war eine freigebige Geschichtenerzählerin. Sie sprach offen über ihre Kindheit (sie hatte mit ihrem Vater in einem presbyterianischen
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