Quellen Der Lust
einer solchen Bitte nachzukommen.“ Sie grinste spöttisch. „Die meisten Männer jedenfalls.“
Er öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder. Ihm wurde schon wieder unerträglich heiß. Das musste an seinem Zorn liegen, sagte er sich.
„ Sie haben es geschafft, einen meiner Küsse zu überleben.“ Sie sah auf seine Lippen und befeuchtete ihren eigenen Mund. „Können Sie mit reinem Gewissen behaupten, dass es Ihnen unangenehm war und gegen Ihren Willen geschehen ist?“
Sie war nur noch wenige Zoll von ihm entfernt. Ihre Augen leuchteten und ihre Wangen hatten sich rosig verfärbt. Ihre Lippen – diese weichen Lippen, die so aufreizend verführerisch die seinen gefunden hatten – waren feucht und verlockend und so unwiderstehlich nahe.
Er musste seine ganze Willenskraft heraufbeschwören, um sie nicht hier und jetzt zu küssen.
„Das dachte ich mir.“ Ihre Stimme klang rau und sinnlich, als sie zurücktrat. „Dann werden wir morgen früh nach Lincoln aufbrechen, um Mr. Thomas Bickering einen Besuch abzustatten. Sie haben doch eine Kutsche dabei, oder?“
Er nickte. Erst jetzt ging ihm auf, was für eine unmögliche Aufgabe vor ihm lag: mit einer Frau auf der Suche nach einem Ehemann durch die Gegend zu reisen. Noch dazu ging es dabei um eine Frau, die ein halbes Dutzend ausgelassener Männer mit nichts weiter als einer Geige und einem Kessel Rum betört und im Zaum halten konnte. Sie war eine bemerkenswerte Person – bei all ihrer Sinnlichkeit hatte sie schon bewiesen, dass sie genauso viel Kontrolle über sich hatte wie er selbst.
„Wunderbar.“ Sie fing seinen Blick auf und erwiderte ihn mit einem triumphierenden Leuchten. „Während unseres Aufenthalts dort können Sie außerdem zur Bank gehen und dafür sorgen, dass meine Ausgaben gedeckt sind.“
Sie hielt inne und wartete auf seine Antwort, die jedoch nicht kam. Knurrend drehte er sich um und ging zur Tür.
„Kopf hoch, Jack B. Nimble.“ Die Genugtuung, die in ihrer Stimme schwang, bohrte sich wie die Klauen einer Katze in seinen breiten Rücken. „Schon morgen Abend können Sie vielleicht auf meine bevorstehende Hochzeit anstoßen.“
5. KAPITEL
Eine auf Hochglanz polierte schwarze Kutsche stand am nächsten Morgen um neun vor dem Wirtshaus. Der Herbst war schon weit fortgeschritten, doch an diesem Morgen schien die Sonne. Mariah schickte den alten Robert mit ihrer Truhe hinaus, während sie im Korridor mit Mercy, die sie zu ihrer Reisebegleiterin bestimmt hatte, wartete.
Sie strich ihren dunkelblauen wollenen Rock glatt, zupfte an ihrer streng geschnittenen Jacke und zog ihre ziegenledernen Handschuhe höher hinauf. Dann warf sie einen Blick in den Spiegel, der im Flur hing. Das leuchtende Blau ihrer Augen und ihre rosigen Wangen überraschten sie. Sie sah geradezu glücklich aus.
Hör auf damit , befahl sie sich.
Einen Augenblick später verdunkelte sich das Sonnenlicht, das durch die Tür hereinschien. Sie sah zum Eingang hinüber und erkannte die große, breitschultrige Silhouette Jack St. Lawrence’. Ihr Herz machte einen Satz.
„Sie nehmen eine Schiffstruhe mit?“ Seine Verärgerung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er in den Flur trat.
„Wer weiß, wie lange wir unterwegs sein werden“, sagte sie und zwang sich, ihren Atem zu beruhigen. Sie griff nach Retikül und Reisedecke, die auf der Anrichte im Flur lagen.
„Anderthalb Tage“, verkündete Jack. „Alles in allem ungefähr dreißig Stunden. Wie oft müssen Sie sich in dreißig Stunden umziehen?“
Er hatte es eilig, diese Mission hinter sich zu bringen. Pech für ihn! Sie hatte es bestimmt nicht eilig, einen der Männer seiner Liste zu ihrem Herrn und Gebieter auszuwählen. Ihr war klargeworden, dass ihre einzige Hoffnung darin bestand, entweder so lange zu suchen, bis sie jemanden fand, der ihr akzeptabel erschien, oder bis die Geduld des Prinzen erschöpft war, ohne jedoch in Zorn umzuschlagen.
„Selbst unter den günstigsten Umständen ist das eine lächerliche Schätzung“, sagte sie. „Sollte Mr. Bickering sich als ein geeigneter Kandidat herausstellen, sind immer noch die Formalitäten zu erledigen, was Tage dauern könnte. Ganz abgesehen von den Einkäufen, die zu erledigen sind.“
„Einkäufe?“ Blankes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Ich glaube mich zu erinnern, dass Lord Marchant neue Kleidung erwähnt hat.“ Sie senkte die Stimme und deutete auf ihre praktischen, doch nicht sonderlich aufregenden Kleider.
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