Querschläger
den Fotos von Günther Döblingers aufgebrochenem Waffenschrank zurückgab.
»Zwei meiner Leute sind unterwegs«, erklärte Höppner und schob sich ein Pfefferminz in den Mund. »Allerdings scheint der Kontakt zwischen Familie Strohte und Günther Döblinger noch nie besonders rege gewesen zu sein. Wie’s aussieht, trifft man sich nur alle Jubeljahre mal, wenn Oma Geburtstag feiert oder irgendein entfernter Verwandter das Zeitliche segnet.«
»Was können Sie uns über diesen anderen Schüler sagen?«, fragte Verhoeven. »Der, dessen Zugangsdaten dieser Devil für die Kontaktaufnahme mit Hrubesch benutzt hat.«
»Oliver Borell, siebzehn Jahre«, las Höppner aus einem seiner Dossiers ab. »Er ging in die zwölfte Klasse und hatte schon seit geraumer Zeit Probleme zu Hause, die sich über den Sommer dramatisch zugespitzt haben sollen. Als dann auch noch seine Freundin Schluss machte, hat er sich die Pulsadern aufgeschnitten.«
Winnie Heller verzog das Gesicht. »Und jetzt ist er in einer Klinik?«
»Im Dr.-Walther-Heyden-Institut in Holstein«, bestätigte Höppner. »Wir haben natürlich sofort überprüft, ob er von da aus selbst ins Internet gegangen sein kann, aber abgesehen davon, dass die Patienten dort im Rahmen ihrer Therapie von allen Kontakten zur Außenwelt abgeschirmt werden, soll der Junge im Augenblick überhaupt nicht in der Lage sein, sich irgendwie mitzuteilen. Weder per E-Mail noch sonst wie.«
»Also jemand, der Oliver Borell kannte und Zugang zu seinen Daten hatte«, schloss Verhoeven.
Höppner nickte. »Die Eltern wickeln ihre gesamte Kommunikation über die Telekom ab und haben nicht einmal bemerkt, dass ihnen auch Internetverbindungen für ihren abwesenden Sohn in Rechnung gestellt wurden.«
»Dieser Devil muss in der Tat jemand sein, der über alles, was an dieser Schule abgeht, ganz genau Bescheid weiß«, murmelte Winnie Heller.
»Und sonst?«, fragte Verhoeven.
Lars Höppner rieb sich die Augen, die infolge der starken Rötung fast blind wirkten. »Im Internet prahlen ein paar Trottel mit ihrer angeblichen Beteiligung an den Geschehnissen am Clemens-Brentano-Gymnasium, und heute früh sind an zwei Schulen in Ostdeutschland Drohanrufe eingegangen.«
»Ist das nicht üblich bei Fällen wie diesem?«
»Sicher«, entgegnete Höppner achselzuckend. »Aber trotzdem kann es sich natürlich niemand leisten, diese Dinge nicht ernst zu nehmen.«
8
»Ist Sven da?«
»Sven?« Manuela Strohte sprach den Namen ihres Sohnes aus, als höre sie ihn in diesem Augenblick zum ersten Mal.
Und eigentlich war es ja auch komplett bescheuert, jemanden anzurufen, von dem man nicht einmal eine Handynummer besaß. Da musste sich die Mutter ja sonst was denken, noch dazu, wo ihr blasses Söhnchen vermutlich nicht allzu oft Anrufe von irgendwelchen Mädchen bekam …
»Hier ist Jessica, Jessica Mahler. Sven und ich haben ein paar Kurse zusammen, wissen Sie, und ich …« Gott, was für eine idiotische Idee, einfach so draufloszuquatschen, ohne Konzept und ohne konkreten Schlachtplan! Aber schließlich hätte sie ja auch das Glück haben können, ihn gleich selbst an den Apparat zu kriegen. Und dann hätte sie …
»Augenblick bitte«, riss die Stimme seiner Mutter sie aus ihren Selbstvorwürfen. »Ich sage ihm Bescheid.«
Jessica Mahler hörte ein Knirschen, als ihre Gesprächspartnerin den Hörer neben das Telefon legte. Dann war es still.
»Ja?«
»Sven?«
»Ja.«
»Hi, hier ist Jessie.« Sie biss sich auf die Lippen. Tu gefälligst nicht so familiär! »Jessica Mahler.« »Oh, hi.«
Freute sich dieser Kerl etwa über ihren Anruf? Das war ja echt widerlich! »Du, entschuldige, dass ich einfach so über dich herfalle, aber …«
»Das ist schon okay, ich war grad beim Essen.«
»Oh«, sagte sie. »Tut mir leid, wenn ich dich …«
»Nein, nein«, unterbrach er sie sofort wieder. »Ich wollte sagen, dass du nicht störst oder so. Bei was Wichtigem, meine ich.«
»Das ist gut«, sagte sie hastig. »Ich … Es ist auch eigentlich gar nichts Dringendes, nur …« Herrgott noch mal, was redest du denn da? Wenn es nicht dringend wäre, würdest du ihn ja wohl kaum anrufen. Noch dazu zu einem derart unpassenden Zeitpunkt. Also hör endlich auf, dich zu winden, und komm zur Sache! »Es ist nur … Es geht um Lukas.« Bildete sie sich das ein, oder hielt er tatsächlich die Luft an? Sie lauschte angestrengt, aber Sven Strohte verriet sich nicht noch einmal. »Ich … Es ist nämlich so, dass Lukas
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