Queste der Helden (Band 1 im Ring der Zauberei)
Schulter. Die Berührung war eisig und schickte einen Schauer durch ihn durch.
„Du bist jung“, sprach Argon bedächtig. „Du lernst noch. Du empfindest die Dinge zu tief. Die Zukunft zu sehen ist eine große Entlohnung. Doch es kann auch ein großer Fluch sein. Die meisten Menschen, die ihr Schicksal leben, haben kein Bewusstsein darüber. Manchmal ist es das Schmerzvollste, Wissen über dein Schicksal zu haben—darüber, was sein wird. Du hast noch nicht einmal begonnen, deine Kräfte zu verstehen. Doch das wirst du. Eines Tages. Sobald du verstehst, woher du stammst.“
„Woher ich stamme?“, fragte Thor verwirrt.
„Die Heimat deiner Mutter. Weit von hier entfernt. Hinter dem Canyon, in den äußeren Ausläufern der Wildlande. Dort steht eine Burg, hoch oben in den Lüften. Sie liegt alleine an einer Klippe, und um zu ihr zu gelangen, muss man über eine gewundene Felsstraße wandern. Es ist eine magische Straße—als würde man in den Himmel selbst hinaufsteigen. Es ist ein Ort tiefer Macht. Von dort stammst du. Bevor du diesen Ort erreicht hast, wirst du nie völlig begreifen. Sobald du es tust, werden alle deine Fragen beantwortet werden.“
Thor blinzelte, und als er die Augen öffnete, fand er sich zu seinem Erstaunen, außen vor Argons Behausung wieder. Er hatte keine Ahnung, wie er dorthin geraten war.
Der Wind peitschte durch die felsige Schlucht, und Thor blinzelte gegen das harte Sonnenlicht. Neben ihm stand Krohn und wimmerte.
Thor ging zurück zu Argons Tür und schlug mit aller Kraft dagegen. Nichts als Schweigen war seine Antwort.
„Argon!“, schrie Thor.
Nur das Pfeifen des Windes antwortete ihm.
Er versuchte, die Tür zu öffnen, presste sogar seine Schulter dagegen—doch sie bewegte sich nicht.
Thor wartete lange Zeit—er war sich nicht sicher, wie lange—bis schließlich der Tag sich zu Ende neigte. Endlich wurde ihm klar, dass seine Zeit hier vorüber war.
Er kehrte um und begann seinen Abstieg über den steinigen Hang, und wunderte sich. Er fühlte sich so verwirrt wie nie zuvor, und fühlte sich auch sicherer, dass ein Tod bevorstand—und noch hilfloser, ihn zu verhindern.
Als er durch diesen trostlosen Ort wanderte, spürte er etwas Kaltes um seine Knöchel und sah, wie sich ein dichter Nebel bildete. Er stieg auf und wurde mit jedem Augenblick dichter und höher. Thor verstand nicht, was passierte. Krohn wimmerte.
Thor versuchte, schneller zu werden, seinen Weg den Berg hinunter fortzusetzen, doch in wenigen Momenten war der Nebel so dicht geworden, dass er kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Zugleich fühlte er, dass seine Glieder schwer wurden und der Himmel wie durch Zauber dunkel wurde. Er fühlte, wie er immer erschöpfter wurde. Er konnte keinen Schritt weiter gehen. Er rollte sich am Boden zusammen, genau da, wo er gestanden hatte, eingehüllt in den dichten Nebel. Er bemühte sich, die Augen zu öffnen, sich zu bewegen, doch es gelang ihm nicht. Innerhalb weniger Augenblicke war er tief eingeschlafen.
*
Thor sah sich selbst, wie er am Gipfel eines Berges stand und über das gesamte Königreich des Rings blickte. Vor ihm lag Königshof, die Burg, die Befestigungen, die Gärten, die Bäume, und sanfte Hügel, so weit das Auge reichte—allesamt in voller Sommerblüte. Die Felder standen voller Früchte und bunter Blumen, und der Klang von Musik und Festlichkeiten war zu hören.
Doch als Thor sich langsam drehte und alles betrachtete, fing das Gras an, sich schwarz zu verfärben. Früchte fielen von den Bäumen. Dann verdorrten die Bäume selbst zu Staub. All die Blumen vertrockneten, und zu seinem Entsetzen bröckelte ein Gebäude nach dem anderen, bis das gesamte Königreich nichts als eine Einöde war, Haufen von Geröll und Stein.
Thor blickte hinunter und sah plötzlich eine riesige Weißrücken zwischen seinen Füßen hervorgleiten. Er stand hilflos da, während sie sich um seine Beine wickelte, dann seinen Bauch, dann die Arme. Er fühlte, wie er erstickt wurde, das Leben aus ihm herausgepresst wurde, als die Schlange sich ganz um ihn herum legte und ihm in die Augen starrte, eine Handbreit entfernt, zischend, ihre lange Zunge beinahe Thors Wange berührend. Und dann öffnete sie weit das Maul, legte riesige Zähne frei, beugte sich vor und schluckte Thors Gesicht.
Thor kreischte, dann fand er sich alleine im Inneren der königlichen Burg wieder. Sie war völlig leer, kein Thron stand mehr da, wo früher einer war; das Schicksalsschwert lag
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