Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Zeit - ?«
    »Eine Sekunde... Zeit«, sagte der Chirurg; und war plötzlich tief gekränkt, als er im Kopf ein paar überschlägige Berechnungen anstellte.
    »Ein Dreitausendsechshundertstel einer Stunde«, rief eine gelangweilte Stimme mit französischem Akzent.
    »Die Zeit ist um!«, verkündete Boyle. »Kommen wir zum nächsten Punkt -«
    »Der gute Doktor erhält weitere fünfzig Sekunden«, entschied Anglesey.
    »Ich danke Euch, Mylord«, sagte der Chirurg und räusperte sich. »Vielleicht haben die Herren, welche Mr. Hookes Forschungen auf dem Gebiet der Zeitmessung gefördert haben und nun Nutznießer seiner so überaus ingeniösen Handwerkskunst sind, die Güte, mich während der Darlegung der Ergebnisse von Lord Chesters Leichenschau über das Verstreichen der Zeit auf dem Laufenden zu halten -«
    »Ich übernehme diese Aufgabe. Ihr habt bereits zwanzig Sekunden verbraucht!«, sagte der Earl von Upnor.
    »Bitte, Louis, wir wollen unserem Gründer und dem Herrn Doktor den schuldigen Respekt erweisen«, sagte sein Vater.
    »Für Ersteres scheint es zu spät, Vater, aber Letzterem stimme ich zu.«
    »Hört, hört!«, sagte Boyle. Das brachte den Chirurgen ins Stocken – John Comstock stärkte ihm mit einem Blick den Rücken.
    »Die inneren Organe von Lord Chester waren für einen Mann seines Alters weitestgehend normal«, sagte der Chirurg. »In einer Niere habe ich zwei kleine Steine gefunden. In der Harnröhre etwas Grus. Ich danke Ihnen.«
    Der Chirurg setzte sich sehr hastig, wie ein Infanterist, der soeben Rauchwölkchen von den Pulverpfannen feindlicher Musketen hat aufsteigen sehen. Ein Summen und Dröhnen erfüllte den Saal – er glich plötzlich einem von Wilkins’ gläsernen Bienenhäusern, und der Chirurg einem Jungen, der einen Stock hineingestoßen hat. Aber die Bienenkönigin war tot, und man war sich nicht einig, wer gestochen werden sollte.
    »Genau wie ich vermutet habe – es gab gar keine Harnverhaltung«, verkündete Hooke schließlich, »nur Schmerzen von kleinen Nierensteinen. Schmerzen, die Lord Chester veranlassten, in Opiaten Linderung zu suchen.«
    Ebenso gut hätte er Monsieur LeFebure ein Glas Wasser ins Gesicht schütten können. Der Chemiker des Königs stand auf. »Dem Lord Bischof von Chester in der Stunde seiner Not Erleichterung verschafft zu haben, betrachte ich als die größte Ehre in meiner Berufslaufbahn«, sagte er. »Es wäre eine ungeheure Schande, wenn die anderen Arzneien, die er genommen hat, zu seinem Ableben geführt haben.«
    Noch mehr Gesumme, diesmal in anderer Tonart. Roger Comstock stand auf und fuhr dazwischen: »Wenn Mr. Pepys so freundlich sein würde, uns seinen Stein zu zeigen...«
    Auf der anderen Seite des Saals schoss Pepys förmlich in die Höhe und fuhr mit der Hand in eine pralle Tasche.
    John Comstock bremste beide Männer mit gusseisernen Blicken. »Es wäre keine Freundlichkeit, Mr., äh, Comstock , da wir ihn alle schon gesehen haben.«
    Nun war Daniel an der Reihe. »Mr. Pepys’ Stein ist kolossal – trotzdem war er in der Lage, ein wenig zu urinieren. Ist es angesichts der engen Harnwege nicht möglich, dass ein kleiner Stein den Urin ebenso gut staut wie ein großer - ja vielleicht sogar besser?«
    Kein Gesumme mehr, sondern ein tiefes, allgemeines Gemurmel – der Punkt ging per Akklamation an Daniel. Er setzte sich. Roger Comstock überschüttete ihn mit Komplimenten.
    »Ich habe auch einmal Steine in der Niere gehabt«, sagte Anglesey, »und kann bezeugen, dass die Schmerzen unbeschreiblich sind.«
    John Comstock: »Vergleichbar denen, welche die papistische Inquisition zufügt?«
    »Ich komme nicht dahinter, was da vor sich geht«, sagte Daniel leise zu seinem Sitznachbarn.
    »Das solltet Ihr aber lieber, ehe Ihr noch etwas äußert«, sagte Roger. »Nur ein Vorschlag.«
    »Zuerst tun sich Anglesey und Comstock zusammen, um Wilkins’ Andenken schlecht zu machen – und dann gehen sie einander wegen der Religion an die Kehle.«
    »Und was heißt das für Euch, Daniel?«, fragte Roger.
    Anglesey, unerschüttert: »Ich bin mir sicher, ich spreche für die gesamte Royal Society, wenn ich Monsieur LeFebure unseren unermesslichen Dank dafür ausspreche, dass er Lord Chester die letzten Lebensmonate erleichtert hat.
    »Das Elixir Proprietalis LeFebure wird bei Hofe sehr bewundert – sogar unter jungen Damen, die nicht von überaus schmerzhaften Leiden heimgesucht werden«, sagte John Comstock. »Einige haben solchen Geschmack daran

Weitere Kostenlose Bücher