Quicksilver
und Begreifen leuchteten aus Rogers Gesicht wie eine plötzliche Flamme. Doch hätte Daniel eine Hooke’sche Uhr besessen, hätte er nur wenige Sekunden gezählt, ehe der alte Ausdruck sich wieder über das Gesicht legte: Wie wenn ein Löschhütchen auf eine Flamme herabfährt und das unstete Leuchten, das einem eben noch vor Augen stand, im Nu verschwunden ist, sodass an seiner Stelle nur der fade Anblick alter Silberarbeit, starr und vertraut, bleibt.
»Mir war doch gleich so, als hätte ich da drin jemanden umhergehen hören!«, rief Roger aus.Was offensichtlich gelogen war, aber das Gespräch leichter vonstatten gehen ließ.
Daniel war darauf erpicht, Roger zu fragen, was er mit dem Schießpulver gemacht hatte. Aber vielleicht war es besser, darauf zu warten, dass Roger von sich aus mit irgendetwas herausrückte. »Ihr seid also nach Amsterdam gegangen, um Euch von den Aufregungen dieses Abends zu erholen«, sagte Daniel.
»Zuerst hierher.«
»Hierher nach London?«
»Hierher zu den Angleseys. Wunderbare Familie. Und gesellschaftlich mit ihnen zu verkehren hat seine Vorteile.« Roger griff nach oben, wie um sich über seine Perücke zu streichen – wagte dann aber doch nicht, sie zu berühren.
»Ihr steht doch nicht etwa in ihren Diensten - ?«
»Aber nein! Es ist viel besser. Ich weiß bestimmte Dinge. Von den goldenen Comstocks sind im vergangenen Jahrhundert einige nach Holland emigriert – schon gut, schon gut, manche würden sagen geflohen. Haben sich in Amsterdam niedergelassen. Ich habe ihnen einen Besuch abgestattet. Von ihnen habe ich erfahren, dass de Ruyter mit seiner Flotte nach Guinea unterwegs war, um die Sklavenhäfen des Herzogs von York zu nehmen. Also habe ich meine Anteile an der Guinea-Kompanie verkauft, als sie noch hoch standen. Dann habe ich von den Angleseys erfahren, dass König Louie Vorbereitungen traf, in der Holländischen Republik einzumarschieren – niemals aber einen Feldzug unternehmen konnte, ohne zuvor Getreide zu kaufen – und wo er’s gekauft hat, werdet Ihr niemals erraten.«
»Nein!«
»Eben – die Holländer haben Frankreich das Getreide verkauft, mit dessen Hilfe König Louie jetzt ihr Land erobert! Wie auch immer – Ich habe mein Geld vom Verkauf der Guinea-Kompanie-Anteile genommen und einen größeren Posten Amsterdamer Getreide gekauft, kurz bevor König Louie den Preis hochgetrieben hat! Voilà! Nun habe ich eine Uhr von Hooke, eine große Perücke und ein Grundstück am schicken Waterloo Square!«
»Ihr habt -«, begann Daniel und war drauf und dran, ein Stück von meinem Familienbesitz!? dranzuhängen, als sie von Leibniz unterbrochen wurden, der, sein mechanisches Gehirn in den Armen, durch ein Blumenbeet angestakst kam.
»Dr. Leibniz – die Royal Society war sehr angetan von Eurer Rechenmaschine«, sagte Roger.
»Aber meine mathematischen Beweise haben nicht gefallen«, sagte ein niedergeschlagener deutscher Wissenschaftler.
»Ganz im Gegenteil – sie wurden als ungewöhnlich elegant anerkannt!«, protestierte Daniel.
»Aber es bringt keine Ehre ein, 1672 auf elegante Weise ein Theorem zu beweisen, das irgendein Schotte schon 1671 auf barbarische Weise bewiesen hat!«
»Das habt Ihr unmöglich wissen können«, sagte Daniel.
»Passiert ständig«, sagte Roger, von falscher Autorität strotzend.
»Monsieur Huygens hätte es wissen müssen, als er mir diese Probleme als Übungen aufgab«, grollte Leibniz.
»Wahrscheinlich wusste er es auch«, sagte Daniel. »Oldenburg schreibt ihm jede Woche.«
»Es ist wohl bekannt, dass GRUBENDOL mit Informationen aus dem Ausland handelt!«, verkündete Robert Hooke, der durch einen Lorbeerbusch gekracht kam und zu einer Marmorbank wankte, als ihn der Schwindel packte. Daniel knirschte mit den Zähnen, denn er rechnete damit, dass es zwischen Hooke und Leibniz zu Handgreiflichkeiten oder Schlimmerem kommen würde, aber Leibniz ließ diese Spitze gegen Oldenburg kommentarlos hingehen, als hätte Hooke lediglich am Hohen Tisch einen fahren lassen.
»Man könnte es auch so ausdrücken, dass Mr. Oldenburg Monsieur Huygens über die neuesten Entwicklungen aus England auf dem Laufenden hält«, sagte Roger.
Daniel nahm den Faden auf: »Huygens hat wahrscheinlich aus dieser Quelle von den neuesten englischen Theoremen erfahren und Sie Euch, Doktor Leibniz, aufgegeben, um herauszufinden, was in Euch steckt!«
»Ohne zu ahnen«, schloss Roger gewandt, »dass die Geschicke des Krieges und der Diplomatie Euch
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