Quicksilver
ein gutes Tagewerk, das es allemal rechtfertigte, in diversen Schänken in der Drury Lane diverse Krüge auf das Andenken von John Wilkins zu kippen. Daniels vorgebliche Mätresse begleitete ihn in jedem Stadium dieser epochalen Kneipentour, die irgendwann zu Roger Comstocks Schauspielhaus und speziell in ein Hinterzimmer dieses Schauspielhauses führte, wo zufällig ein Bett stand.
»Wer stellt denn hier Würste her?«, erkundigte sich Daniel. Was einen Kicheranfall bei Tess hervorrief. Sie hatte ihm die neue Hose so gut wie ausgezogen.
»Ich würde sagen, Ihr habt eine ganz hübsche hergestellt!«, brachte sie schließlich heraus.
»Ich würde sagen, dafür seid Ihr verantwortlich«, widersprach Daniel und fügte (nun, da sie deutlich zu sehen war) hinzu: »Und sie ist alles andere als hübsch.«
»Ihr habt in beiden Punkten Unrecht«, sagte Tess lebhaft. Sie stand auf und packte den in Rede stehenden Gegenstand. Daniel japste. Sie zog daran; Daniel jaulte auf und kam näher. »Aha, sie ist Euch also wirklich angeheftet. Dann werdet Ihr auch die Verantwortung für ihre Herstellung übernehmen müssen; könnt den Mädchen nicht alles in die Schuhe schieben. Und was das Hübsche angeht -« Sie löste ihren Griff, ließ den Gegenstand auf ihrer Handfläche ruhen und betrachtete ihn eingehend. »Ihr habt wohl noch nie eine hässliche gesehen, wie?«
»Ich bin in dem Glauben erzogen worden, sie seien alle ziemlich hässlich.«
»Das mag stimmen – metaphysisch gesprochen, nicht wahr? Genau. Aber nehmt zur Kenntnis, dass manche hässlicher sind als andere. Und deshalb haben wir Wursthäute im Schlafzimmer.«
Worauf sie etwas ziemlich Verblüffendes mit zehn Zoll vorne verknotetem Schafsdarm anstellte. Nicht, dass Daniel zehn Zoll brauchte; aber sie war großzügig damit, vielleicht um ihm so etwas wie Respekt zu erweisen.
»Heißt das, es ist eigentlich gar kein Geschlechtsverkehr?«, fragte Daniel hoffnungsvoll. »Da ich eigentlich gar nicht mit Euch in Berührung stehe?« In Wirklichkeit berührte er sie an vielerlei Stellen, und umgekehrt. Aber wo es darauf ankam, stand er nur mit Schafsdarm in Berührung.
»Es kommt häufig vor, dass Männer Eures Glaubens das sagen«, erwiderte Tess. »Fast so häufig wie die lästige Angewohnheit zu reden, während Ihr es tut.«
»Und was sagt Ihr?«
»Ich sage, dass wir nicht in Berührung stehen und keinen Geschlechtsverkehr haben, wenn Euch dann wohler ist«, sagte Tess. »Obwohl Ihr, wenn alles vorbei ist, Eurem Schöpfer werdet erklären müssen, warum Ihr in diesem Moment ein totes Schaf fickt.«
»Bitte bringt mich nicht zum Lachen!«, sagte Daniel. »Das tut irgendwie weh.«
»Was ist daran komisch? Ich sage bloß die Wahrheit. Was Ihr empfindet, ist kein Schmerz.«
Da begriff er, dass sie Recht hatte. Wehtun war nicht das richtige Wort dafür.
Als Daniel irgendwann am nächsten Nachmittag in diesem Bett erwachte, war Tess verschwunden. Sie hatte ihm einen Brief hinterlassen (wer hätte gedacht, dass sie lesen und schreiben konnte? Aber sie musste ja die Mauskripte lesen).
Daniel,
wir werden später noch mehr Würste herstellen. Ich muss gleich
auf die Bühne. Ja, es mag Euch entfallen sein, dass ich
Schauspielerin bin.
Gestern habe ich gearbeitet und die Rolle einer Mätresse gespielt. Das ist eine schwierige, weil langweilige Rolle. Doch mittlerweile ist sie von der Farce zum Faktum geworden, sodass ich nicht mehr schauspielern muss; das ist viel einfacher. Da ich nun nicht mehr engagiert bin, die Rolle Eurer Mätresse zu spielen, wird mir Euer Freund Roger keine Gage mehr zahlen. Ich bin jetzt de facto Eure Mätresse, weshalb ein kleines Geschenk angemessen wäre. Verzeiht mir meine Direktheit. Gentlemen wissen dergleichen . Puritanern muss man es erst beibringen .
Tess
P.S. Ihr braucht dringend Schauspielunterricht. Ich werde mich bemühen zu helfen.
Daniel wankte ein paar Minuten durchs Zimmer, sammelte seine Kleider ein und versuchte, sie in der richtigen Reihenfolge anzuziehen. Ihm entging keineswegs, dass er sich, wie ein Schauspieler, hinter der Bühne eines Theaters anzog. Als er fertig war, suchte er sich zwischen Kulissen und Requisiten hindurch einen Weg nach draußen und stolperte auf die Bühne. Das Haus war leer bis auf ein paar Schauspieler, die auf Bänken vor sich hin dösten. Tess hatte Recht. Er hatte nun seinen Platz gefunden: Er war nichts weiter als ein Schauspieler, obgleich er nie auf einer Bühne auftreten würde und seinen Text
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