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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schweigen von einer Faszination, die ihn die pochenden und ziehenden Stiche in seinem Fleisch vergessen lässt.
    »Dappa hat Recht. Der Schoner treibt leewärts ab und wird bald auf der Strecke bleiben oder auf Grund laufen«, verkündet er van Hoek, der oben auf dem Poopdeck steht. Van Hoek zieht ein-, zwei-, dreimal an seiner Pfeife, nickt dann und verfällt in holländisches Gemurmel. Maate und Botenjungen tun seinen Willen in sämtlichen Abteilungen des Schiffes kund. Die Minerva ignoriert den Schoner und richtet alle Bemühungen auf das erwartete Gefecht mit Teachs übler Kriegssloop.
    Eine halbe Stunde später sorgt der leegierige Schoner für derbe Unterhaltung, indem er unmittelbar am Knöchel der geballten Faust von Cape Cod tatsächlich auf Grund läuft. Das ist zwar eine Schande, aber durchaus nicht einmalig; diese englischen Piraten sind erst seit ein paar Wochen in Massachusetts, und man kann nicht von ihnen erwarten, dass sie sich schon sämtliche Sandbänke eingeprägt haben. In weichem Sand auf Grund zu laufen und das Schiff später wieder flottzumachen ist dem Kapitän immer noch lieber, als sich vor der Schlacht zu drücken und sich Blackbeard Teachs Zorn zuzuziehen.
    Van Hoek lässt sofort auf Südwest drehen, als wolle er nach Boston zurückfahren. Er hat die Absicht, hinter Teachs Heck durchzufahren und der Sloop eine Breitseite in den Arsch und durch den gesamten Rumpf zu jagen. Aber dafür ist Teach zu gewieft: Er bricht zur anderen Seite hin aus, wendet sich ostwärts, um außer Reichweite der Breiseite der Minerva zu kommen, dreht dann vor dem Wind nach Süden und hält kurz bei dem auf Grund gelaufenen Schoner, um ein paar Dutzend Männer an Bord zu nehmen, die sich beim Entern vielleicht als nützlich erweisen könnten. Nach kurzer Zeit taucht er achteraus der Minerva auf.
    Im Folgenden spielt sich vor Race Point ein ungefähr einstündiger Zweikampf im Lavieren ab, wobei Teach eine Möglichkeit sucht, in Musketenschussweite der Minerva zu kommen, ohne in Stücke geschossen zu werden, und van Hoek nur eine einzige, wohl überlegte Breitseite abgeben will. Es kommt zu ein paar eher kläglichen Schusswechseln. Teach macht ein Loch in den Rumpf der Minerva , das rasch geflickt wird, und eine sausende Schrottwolke aus einer der Karronaden der Minerva reißt ein Segel der Sloop mit sich, das rasch ersetzt ist. Aber mit der Zeit nutzt die Langeweile und die Notwendigkeit, offenes Meer zu gewinnen, solange die Sonne noch scheint, sogar van Hoeks Hass auf Piraten ab. Dappa mahnt ihn, dass der atlantische Ozean nur ein, zwei Meilen entfernt ist und nichts mehr zwischen ihm und ihnen liegt. Er überzeugt van Hoek, dass es keine bessere Methode gibt, einen Piraten zu demütigen, als ihn mit leeren Händen zurückzulassen, seine Decks voller Entermannschaften, die nichts haben, worauf sie ihre Enterhaken schleudern können. Einem Piraten davonzusegeln, so behauptet er beharrlich, ist eine süßere Rache als ihn niederzukämpfen.
    So befiehlt van Hoek, zu drehen und Kurs auf England zu nehmen. Man heißt die Männer, welche die Kanonen bemannt haben, es wie Cincinnatus zu machen und im Moment ihres Sieges ihre Kriegswerkzeuge aus der Hand zu legen, um sich friedlichen Aufgaben zu widmen: in diesem Falle dem Setzen noch des letzten Fadens Segel, den das Schiff zu tragen vermag. Müde, mit Pulverschmauch verschmierte Männer schleppen sich hinauf ans Licht und machen sich nach einer kurzen Pause, in der sie kellenweise Wasser in sich hineinschütten, daran, die Leesegelbäume auszuschwenken. Damit wird die Länge der mächtigsten Rahen des Schiffes nahezu verdoppelt. Die Leesegel fallen herab und straffen sich knallend. Wie ein Albatross, der eine lange Verfolgungsjagd durch eine wuchernde Wildnis ertragen hat und von Hindernis zu Hindernis geschlüpft und gekurvt ist, sich endlich über den Wirrwarr erhebt und den weiten Ozean vor sich ausgestreckt sieht, breitet die Minerva ihre Schwingen und fliegt. Der Rumpf ist zu einem Staubkorn zusammengeschrumpft, das unter einem riesigen, knarrenden Nebelfleck aus fester Leinwand mitgerissen wird.
    Man kann sehen, wie Teach, dem buchstäblich Rauch aus dem Kopf quillt, auf seiner Sloop auf und ab rennt, mit seinem Entermesser fuchtelt und seine Mannschaft anfeuert, doch jeder weiß, dass die Queen Anne’s Revenge für eine Nordatlantik-Kreuzfahrt im November ein wenig zu voll ist – von unzureichend verproviantiert ganz zu schweigen.
    Mit einer Kraft, die

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