Quicksilver
von der Flamme angezogen wurden. Innerhalb weniger Minuten hatte eine Schwadron von zumeist Frauen, vom Mädchen bis zum hässlichen alten Weib, von dem Feuer Besitz ergriffen und es bis zur hell auflodernden Flamme geschürt. Sie hatten einen schwarzen Eisenkessel mitgebracht, den sie mit Eimern voll Wasser aus einem nahe gelegenen Bach füllten und dann zum Kochen über das Feuer hängten. Als Dampf aus dem Topf aufzusteigen begann – erleuchtet durch das Feuer darunter, verschwand er allmählich im kalten Himmel -, fingen sie an, die Zutaten irgendeines Eintopfs hineinzuwerfen: Säcke voll irgendwelcher dicker dunkelblauer Kirschen, rote Pilze mit weißen Flecken, Kräuterzweiglein. Kein Fleisch oder erkennbares Gemüse, sehr zu Jacks Enttäuschung. Aber er war hungrig genug, um jetzt deutsche Kost zu essen. Die Frage war: Wie konnte er es anstellen, dass man ihn zu dem Festmahl einlud?
Am Ende ging er einfach hinunter und bekam etwas davon, was alle anderen auch zu tun schienen. Der Verkehr in diesem Teil des Waldes war mittlerweile so dicht, dass er nicht davon ausgehen konnte, unbemerkt zu bleiben. Als Erstes nahm er sein Schwert, um sich einen belaubten Ast abzuschneiden, wie alle ihn hatten.Von diesen Leuten war niemand bewaffnet, und so steckte er sein Schwert samt Scheide in sein Hosenbein und bastelte, um es besser zu verbergen, eine falsche Schiene aus Stöcken und Stofffetzen, die er von seinem Hemd abriss, um sein Bein, sodass er aussah wie ein Mann mit einem steifen Knie, der mithilfe des Stocks umherhumpelte. Solchermaßen verkleidet hinkte er in den Lichtschein des Feuers und wurde von den Eintopfköchen höflich, um nicht zu sagen, herzlich begrüßt. Einer von ihnen bot ihm einen Schöpflöffel von dem Zeug an, und er schlang es so schnell hinunter, dass es ihn innerlich bis in den Magen hinein verbrannte. Vermutlich ganz gut so – es schmeckte nämlich ekelhaft. Nach dem Grundsatz, dass man ja nie wissen konnte, wann man wieder etwas zu essen bekam, bat er mit einer Handbewegung um einen Nachschlag, woraufhin sie ihm widerstrebend eine zweite Kelle voll gaben und ihm besorgt beim Trinken zusahen. Es war so schlecht wie beim ersten Mal, obwohl am Boden jetzt sogar Stücke von Pilzen oder sonst was schwammen, die vielleicht etwas nahrhafter waren.
Er musste verloren ausgesehen haben, denn nachdem er ein paar Minuten am Feuer gestanden hatte, um sich zu wärmen, begannen die Eintopfköche freundlicherweise, ihm die Richtung zu weisen, in die alle anderen Leute gingen. Und das war zufällig mehr oder minder bergauf, der Weg, den Jack ohnehin einschlagen wollte (er würde ihn entweder zum Turm des Doktors bringen oder zu einer Anhöhe, von der aus er ihn bei Tagesanbruch würde sehen können), und so humpelte er davon.
Das Nächste, was ihm wirklich zu Bewusstsein kam (er schien gleichzeitig zu gehen und zu schlafen, obwohl sich jetzt alles traumhaft anfühlte und somit das ganze Ding vielleicht ein Traum war), war, dass er offensichtlich einige Meilen bergaufwärts zurückgelegt hatte, ausgehend davon, dass es jetzt viel kälter war und der Wind so kräftig wehte, dass er hören konnte, wie überall Bäume ausgerissen wurden, Gewehrschüssen in einem Gefecht gleich.Wolken jagten über das Gesicht des Vollmonds. Hin und wieder stieß irgendetwas durchs Geäst über ihm und ließ Zweige und Buschwerk auf ihn herabregnen. Als er aufblickte, sah er, dass es abgebrochene Äste oder sogar kleine entwurzelte Bäume waren, die von dem Orkan durch die Luft gewirbelt wurden. Er kämpfte sich weiter bergauf, obwohl ihm nicht mehr klar war, warum eigentlich. Um ihn herum wimmelte es von anderen Leuten. Der Wald bestand aus sehr hohen, dünnen, dicht beieinander stehenden schwarzen Bäumen, die wie die Ansammlung von Piken bei einer militärischen Formation wirkten, das plötzliche Aufblitzen des Mondlichts zwischen dahinjagenden Wolken erinnerte an Bombenexplosionen, und Jack hörte (tatsächlich oder im Traum) das Trampeln von Füßen und das Geschmetter von Trompeten. Er vergaß, warum sein Bein geschient war, und nahm an, er müsse im Kampf (wahrscheinlich am Kopf ebenso wie am Bein) verwundet und die Wunde von einem Bader versorgt worden sein. Eine Zeit lang war er fast sicher, dass er gerade in Wien gegen die Türken kämpfte und die ganze Eliza-Geschichte nichts als ein langer, detailreicher, grausamer Traum war.
Doch dann war er wieder im Wald oberhalb von Bockboden. Äste und schwerere Dinge flogen
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