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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Größe, die aussahen, als hielten sie, um den Berggipfel gedrängt, eine Ratsversammlung ab.
    Dann fiel sein Blick auf eine kleine schwarze Silhouette, deren behaarter Umriss sich leuchtend vom Himmel abhob und die hoch über der ganzen Szenerie stand: die schwarze Ziege, die gerade ihren Kopf zum Meckern neigte. Einer der gewaltigen Satane vollführte genau dieselbe Bewegung. Da begriff Jack, dass er vor den Schatten der Ziege, die der Feuerschein an Wolken und Rauch geworfen hatte, davongelaufen war.
    Lachend ließ er sich an der Stelle nieder, wo er sich fast in den Abgrund gestürzt hätte, und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und sich zurechtzufinden. Die Felswand und die etwas niedrigere Klippe auf der gegenüberliegenden Seite waren zerklüftet, mächtige Scherben und Schichten aus Felsgestein ragten kreuz und quer in die Luft – und widerlegten damit (im Übrigen) die Vorstellung des Doktors von der Entstehungsgeschichte dieser Felsformationen, denn das Gefüge des Gesteins verlief schnurgerade nach oben und nach unten. Offensichtlich waren das hier die Überreste eines Riesen, der in irgendeinem voreiszeitlichen Kampf mit Felsbrocken getötet worden und, die knochigen Finger in den Himmel gestreckt, auf dem Rücken liegend gestorben war.
    Jack näherte sich einem Feuer, teils, weil er fror und teils, weil er ein bestimmtes Mädchen, das nackt darum herumtanzte, genauer in Augenschein nehmen wollte – zwar hatte sie einen Hang zum Korpulenten und war eindeutig dazu bestimmt, auf lange Sicht eine weitere Besen schwingende alte Hexe zu werden, doch von allen deutschen Frauen, die er in letzter Zeit gesehen hatte, wirkte sie am wenigsten säulenartig. Als er so nah herangekommen war, dass er sie gut sehen konnte, war das Feuer unangenehm heiß; daran hätte er merken müssen, dass das Licht, das auf sein Gesicht fiel, sehr hell war. Doch diese wichtige Tatsache beachtete er nicht, bis er das fatale Wort Wache! hörte. Als er sich zu der Stimme umdrehte, sah er, kaum eine Armeslänge von sich entfernt, eine der Frauen, die ihn früher am Abend geweckt hatten, als er weiter unten, das Schwert deutlich sichtbar, an seinem kleinen Feuer eingeschlafen war. Und sein Schwert war genau das, was sie suchte, jetzt, da sie die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte, indem sie das am meisten verabscheute Wort aussprach. Die Waffe in einer Beinschiene zu verstecken hatte funktioniert, solange es dunkel war und die Leute nicht ausdrücklich nach einem Schwert suchten, aber hier und jetzt funktionierte es überhaupt nicht. Die Frau brauchte Jack kaum mehr als einen flüchtigen Blick zuzuwerfen, bevor sie, mit einer Stimme, die vermutlich in Leipzig zu hören war, rief: » Er ist eine Wache! Er hat ein Schwert!«
    Damit war die Party vorbei, für jedermann , aber ganz besonders für Jack . Jeder hätte ihm einen leichten Schubs geben und ihn so ins Feuer werfen können, und das wäre das Ende oder wenigstens ein interessanter Anfang gewesen, stattdessen rannten alle vor ihm davon – doch, so musste er annehmen, nicht für lange. Die Einzige, die zurückblieb, war die, die mit Fingern auf ihn gezeigt hatte. Sie lungerte außer Reichweite des Schwertes herum und sagte ihm gründlich die Meinung, so voller Wut, dass sie dabei ins Schluchzen geriet. Jack hatte keine Lust, sein Schwert zu zücken und diese Leute noch zorniger zu machen, als sie schon waren, aber a) konnten sie, egal, was er tat, gar nicht mehr viel zorniger werden und b) musste er diese blöde Beinschiene loswerden, wenn er mit Aussicht auf Erfolg die Flucht ergreifen wollte. Und Flucht war jetzt geboten. Also. Schon kam seine Waffe zum Vorschein. Die Frau schnappte nach Luft und machte einen Satz rückwärts. Jack unterdrückte den dringenden Wunsch, ihr zu sagen, sie solle still sein und sich beruhigen, und zerschnitt all die Stofffetzen um sein Bein, sodass die Stöcke, die als Schiene gedient hatten, von ihm abfielen. Dann befreite er sein Bein, indem er Scheide und Schwert aus dem Hosenbein zog. Jetzt kreischte die Frau. Und Leute kamen auf Jack zugerannt , und vor lauter » Wächter!« -Geschrei konnte er kaum noch etwas anderes hören – inzwischen hatte Jack genug Deutsch mitbekommen, um zu verstehen, dass damit nicht ein »Watcher«, sondern mehrere »Watchers« gemeint waren. Sie waren zu der Überzeugung gelangt, dass Jack nur einer von einem ganzen Zug bewaffneter Eindringlinge sein musste, was im Übrigen die einzig sinnvolle

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