Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
bin, was hat das mit dem Bergwerk zu tun?«
    »Phosphor, und nichts. Kommt, Jack, lasst uns schauen, dass Ihr aus diesen nassen Kleidern kommt, bevor Ihr in Flammen aufgeht.« Enoch ging voraus und führte Jack einen Seitengang hinunter. Auf dem Weg kamen sie an einer großen Maschinenanordnung vorbei, die unter lautem Dröhnen und Schlürfen Wasser aus dem Bergwerk pumpte. Hier bewog Enoch Jack dazu, sich auszuziehen und zu baden.
    »Ich nehme nicht an, dass diese Geschichte jemals in demselben bewundernden Ton erzählt wird wie die Übernahme des Pesthauses in Straßburg und der Karpfenfestschmaus in Böhmen«, sagte Enoch.
    »Was? Wie habt Ihr denn davon erfahren?«
    »Ich reise. Ich rede mit Landstreichern. Die Dinge sprechen sich herum. Vielleicht interessiert es Euch, dass Eure Heldentaten zu einem Schelmenroman unter dem Titel L’Emmerdeur zusammengefasst wurden, der in Paris bereits verbrannt und in Amsterdam illegal nachgedruckt wurde.«
    »Potz Blitz!« Zum ersten Mal kam Jack der Gedanke, Enochs freundliches Verhalten ihm gegenüber könnte tatsächlich wohlmeinend sein und nicht nur eine höchst subtile Form des Spotts. Enoch öffnete mit der Schulter eine sechs Zoll dicke Tür und führte Jack in eine fensterlose Krypta, einen gewölbten Raum mit einem breiten Tisch in der Mitte, Kerzen und einem Ofen, zufällig genau die Art von Zimmer, wie Zwerge sie bewohnen würden. Sie setzten sich hin und fingen an zu rauchen und zu trinken. Kurz darauf kam der Doktor herein und gesellte sich zu ihnen. Er war kein bisschen empört, sondern schien eher erleichtert, so als hätte er sich im Bergwerksgeschäft ohnehin nie wohl gefühlt. Enoch warf dem Doktor einen vielsagenden Blick zu, von dem Jack mit ziemlicher Sicherheit annahm, dass er bedeutete: Ich habe Sie davor gewarnt, Landstreicher hinzuzuziehen ; und der Doktor nickte.
    »Was machen die, äh, Geldanleger jetzt?«, fragte Jack.
    »Stehen oben in der Sonne – die Frauen übertreffen sich gegenseitig im Ohnmächtigwerden, und die Männer führen eine gelehrte Debatte darüber, ob Ihr ein wütender Zwerg seid, der uns von seinen Schätzen verjagen, oder ein Dämon aus der Hölle, der uns packen will.«
    »Und Eliza? Wird vermutlich nicht ohnmächtig.«
    »Sie ist zu sehr damit beschäftigt, die Komplimente und Referenzen der anderen entgegenzunehmen, die allesamt von ihrem Scharfsinn verblüfft sind.«
    »Aha, dann kann es also sein, dass sie mich nicht umbringt.«
    »Weit davon entfernt, Jack, das Mädchen blüht auf, sie strahlt, und zwar nicht etwa, weil sie in Phosphor getaucht wäre.«
    »Sondern?«
    »Weil Ihr, Jack, Euch freiwillig anerboten habt, an ihrer Stelle zu ewigen Folterqualen hinuntergebracht zu werden. Das ist (wenn ich mich nicht sehr täusche) die absolute Mindestanforderung , die jede Frau an ihren Mann stellt.«
    »Ach das ist es , wohinter sie alle her sind«, sinnierte Jack.
    Eliza stieß rückwärts die Tür auf, unfähig, ihre Arme zu benutzen, mit denen sie ein Bündel Einführungsschreiben, Visitenkarten, Wechsel, Papierfetzen mit hingekritzelten Adressen und kleine Geldbörsen, in denen verschiedene Münzen klimperten, an sich presste. »Wir haben dich vermisst, Jack«, sagte sie. »Wo warst du?«
    »Hab eine Besorgung gemacht, ein paar Einheimische kennen gelernt, an ihren reichen Traditionen teilgehabt«, antwortet Jack. »Können wir Deutschland jetzt bitte verlassen?«

Der Ort
    SOMMER 1684
Handel ist, wie die Religion, etwas, worüber jedermann spricht, was aber nur wenige verstehen: Der Begriff selbst ist unklar und in seiner landläufigen Verwendung nicht hinreichend erklärt.
Daniel Defoe, A Plan of the English Commerce
    »Wenn in Amsterdam nichts passiert, außer dass alles, was hineingeht , einmal die Runde macht und schnurstracks wieder herauskommt -«
    »Dürfte es dort überhaupt nichts anderes geben«, beendete Eliza seinen Satz.
    Bis jetzt war noch keiner von beiden in Amsterdam gewesen. Doch die Menge an Zeug, die auf den Straßen und Kanälen der Niederlande in diese Stadt hinein- und aus ihr herausbefördert wurde, war so immens, dass Leipzig einem daneben vorkam wie das stümperhafte Gebaren schlechter Theaterschauspieler, die im Bühnenhintergrund mit ein paar armseligen Bündeln auf und ab liefen, um den Eindruck regen Handels zu erwecken. Eine solche Anhäufung von Menschen und Waren hatte Jack seit dem Sturm auf Wien nicht mehr erlebt. Aber der war ein einmaliges Ereignis gewesen, während das hier von

Weitere Kostenlose Bücher