Quicksilver
Regiments, und sie hier alle reihenweise aufgestellt zu sehen, war, als sähe man alle zwölf Apostel am selben Tisch sitzen oder so ähnlich.
So sehr Jack Leroy auch hasste, so musste er doch zugeben, dass es ein Wahnsinnsanblick war – er bereute es sogar, nicht früher hier gewesen zu sein, denn er bekam nur noch die letzte Viertelstunde der Zeremonie mit. Dann brach alles auseinander. Die Fahnenträger ritten davon zu ihren Regimentshauptquartieren auf dem Land außerhalb der Stadtmauern, und die Adligen ritten größtenteils nach Norden über den Pont d’Arcole zum rechten Seineufer, von wo manche ihren Weg hinunter in Richtung Louvre fortsetzten und andere um die Rückseite des Hôtel de Ville herum zur Place Royale und dem Marais. Einer aus der zweiten Gruppe trug einen Admiralshut und saß auf einem weißen Pferd – einem großen – mit rosafarbenen Augen, das offenbar so etwas wie ein Schlachtross darstellen sollte.
Jack war noch unentschlossen, was er als Nächstes tun sollte, doch als er (mangels irgendeines anderen Lebensziels) diesem Admiral in die engen Sträßchen folgte, fing er an, von den Mauern rundherum rastlose Geräusche zu hören, ähnlich dem Nagen von Mäusen, und in der Luft bemerkte er eine Menge leuchtenden Staub: Bei näherem Hinsehen entstand in ihm der Eindruck, all die winzigen Tierchen, die in den Steinen der Stadt gefangen waren, erwachten gerade zum Leben, wuselten in ihren Gefängnissen umher und wirbelten Staub auf, so als wäre eine unsichtbare Quecksilberflut nach oben in die Mauern gedrungen und hätte sie wieder zum Leben erweckt; das nahm Jack als Omen, gab Türk mit den Absätzen seiner hölzernen sabots die Sporen und überholte, indem er bestimmte Seitenstraßen nahm und sich unter den vorspringenden Balkons hindurchduckte, den Admiral auf seinem rosaäugigen Pferd und ritt auf die Straße vor ihn hin, nicht weit von dem Zugang zur Place Royale – auf eben die Straße, wo er einmal von den (wie er vermutete) Lakaien genau dieses Burschen in die Scheiße gestoßen worden war.
Diese Lakaien machten jetzt die Straße frei für den Admiral und das große Kontingent an Freunden und Gefolge, das ihn zu Pferd begleitete, und deshalb war die Straße leer, als Jack in ihre Mitte hinausritt. Ein Lakai in blauer Livree kam auf ihn zu, während er Jacks Holzschuhe und seine Krücke beäugte und ihn vermutlich als Bauern einstufte, der einen Ackergaul gestohlen hatte – doch Jack gab Türk einen kleinen Ruck am Zügel, was so viel hieß wie Ich gebe dir die Erlaubnis , und Türk preschte auf diesen Mann zu und drängte ihn geradewegs in den Rinnstein, wo er schließlich eine Sperre für die Flöße aus Kot bildete. Dann brachte Jack sein Pferd zum Stehen, um dem Admiral aus einer Entfernung von vielleicht sechs Pferdelängen in die Augen zu sehen. In dem Raum dazwischen hielten sich mehrere andere Lakaien auf, doch nachdem sie gesehen hatten, wozu Türk in der Lage war, zogen sie sich jetzt in den Schutz der Mauern zurück.
Der Admiral sah völlig verblüfft aus. Er konnte seinen Blick nicht von Jacks Schuhen wenden. Jack schüttelte die sabots ab, die daraufhin mit dem pochenden Geräusch von Fußtritten aufs Pflaster fielen. Gerne hätte er an dieser Stelle eine geistreiche Bemerkung darüber gemacht, dass dieses Ding mit dem Schuh einfach ein weiteres Beispiel dafür war, wie viel Wert die Franzmänner auf die Form und wie wenig sie auf den Inhalt legten – ein Argument, das genau hierher passte, denn es bezog sich auf ihre (mutmaßliche) Unfähigkeit zu erkennen, was für ein prächtiges Pferd Türk war. Doch in seinem gegenwärtigen Geisteszustand brachte er das nicht einmal in Englisch heraus.
Jedenfalls hatte jemand beschlossen, er sei gefährlich – ein jüngerer Mann in der Montur eines Rittmeisters, der jetzt vor dem Admiral auf die Straße ritt, sein Schwert zückte und darauf wartete, dass Jack irgendwas tat.
»Was habt Ihr denn für diesen Klepper bezahlt?«, fauchte Jack ihn an, und da er keine Zeit mehr hatte, seine Krücke auseinander zu nehmen, hob er sie wie ein Ritter seine Lanze, indem er sich das gepolsterte Kreuzstück gegen die Rippen presste, und trieb Türk mit den Fersen vorwärts. Die kalte Luft, die über seine nackten Füße fuhr, tat ihm gut. Das Gesicht des Rittmeisters nahm einen Ausdruck würdevoller Verwirrung an, den Jack nie mehr vergessen würde; die anderen hinter ihm räumten mit einem unvermittelten Klappern und Scharren von Hufen
Weitere Kostenlose Bücher