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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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her.«
    »Darf ich Euch daran erinnern, dass ›schon lange her‹ bei Leuten, die auf Begleichung ihrer Forderungen sehen, nichts weiter als ›reichlich aufgelaufene Zinsen‹ heißt. Immerhin habt Ihr mir gesagt, dass er jedes Jahr für mehrere Wochen verschwindet.«
    »Nicht unbedingt in sinistrer Absicht. Er hat Land in Lincolnshire, um das er sich kümmern muss.«
    »Aus Eurem Munde hat es aber sinister geklungen, als Ihr mir davon erzählt habt.«
    Daniel seufzte, ließ sein Glas los, klemmte seine Schläfen zwischen Daumen und Fingerspitzen einer Hand. Alles, was er jetzt sehen konnte, war sein rosiger – mittlerweile von den Blattern zernarbter – Handteller. Die Krankheit hatte ungefähr ein Drittel von Tess’ Körper mit Pusteln übersät und ihr den größten Teil der Haut von Gesicht und Oberleib geschält, ehe sie schließlich ihren Geist aufgegeben hatte. »Um ganz ehrlich zu sein, es ist mir egal«, sagte er. »Ich habe versucht, ihn zurückzuhalten. Versucht, sein Augenmerk auf Astronomie, Dynamik, Physik zu lenken – auf die Naturphilosophie im Gegensatz zur unnatürlichen Theologie. Es ist mir nicht gelungen; ich bin gegangen; hier bin ich.«
    »Seid Ihr gegangen? Oder hinausgeworfen worden?«
    »Ich habe mich im Ausdruck vergriffen.«
    »In welchem?«
    »Als ich den Begriff ›Hinauswurf‹ gebrauchte, habe ich gewissermaßen metaphorisch gesprochen.«
    »Ihr seid ein verdammter Lügner, Daniel!«
    »Was habt Ihr gesagt!?«
    »Oh, verzeiht mir, ich habe gewissermaßen metaphorisch gesprochen.«
    »Versucht doch zu verstehen, Roger, dass die Umstände meines Bruches mit Isaac kompliziert waren – oder noch sind. Solange ich versuche, es mit einem einzigen Verbum wie etwa ›weggehen‹ oder ›hinausgeworfen werden‹ auszudrücken, werde ich in gewisser Weise ein Lügner und insofern auch verdammenswert sein.«
    »Dann gebt mir mehr Verben«, sagte Roger, der den Blick einer Schankkellnerin auffing und ihr seinerseits mit einem Blick bedeutete: Ich habe ihn zum Sprechen gebracht, sorgt dafür, dass sein Glas nicht leer wird, und haltet uns die Bittsteller vom Leibe. Dann beugte er sich vor, sodass er, vom Licht einer Kerze unterm Kinn erfasst, wie ein unheimlicher Schemen durch den Rauch über dem Tisch näher rückte. »Wir schreiben 1676!«, donnerte Roger. »Leibniz ist zum zweiten Mal nach London gekommen! Oldenburg ist wütend auf ihn, weil er es versäumt hat, wie versprochen die digitale Rechenmaschine mitzubringen! Stattdessen hat Leibniz die vier Jahre davor in Paris mit Mathematik herumgetändelt! Nun stellt er äußerst peinliche Fragen zu einigen mathematischen Arbeiten, die Newton vor Jahren verfasst hat. Irgendetwas Mysteriöses ist im Gange – Newton lässt Euch, Dr. Waterhouse, Abhandlungen kopieren und arkane mathematische Formeln verschlüsseln – Oldenburg ist außer sich – Enoch Root ist auch irgendwie in die Sache verwickelt – es gehen Gerüchte von Briefen, ja sogar Gesprächen zwischen Newton und Leibniz um. Dann stirbt Oldenburg. Nicht lange danach bricht in Eurem Quartier am Trinity Feuer aus, und viele von Newtons alchimistischen Papieren gehen in bunten Flammen auf. Dann zieht Ihr nach London und weigert Euch zu sagen, warum.Was ist denn nun das richtige Verb? ›Weggehen‹ oder ›hinausgeworfen werden‹?«
    »Es war dort einfach kein Raum mehr für mich – mein Bett hat Platz weggenommen, den man für einen weiteren Ofen hätte verwenden können.«
    »Um zu konspirieren? Zu intrigieren?«
    »Die Quecksilberdämpfe haben mich nervös gemacht.«
    »Um etwas zu verbrennen? Anzustecken?«
    Daniel packte die Armlehnen seines Stuhls, als wolle er aufstehen und gehen. Roger hob eine Hand. »Ich bin Präsident der Royal Society – es ist meine Pflicht, neugierig zu sein.«
    »Und ich bin Sekretär, und es ist meine Pflicht, das Ganze zusammenzuhalten, wenn der Präsident sich zum Narren macht.«
    »Lieber ein Narr in London als ein nützlicher Idiot in Cambridge. Ihr müsst schon verzeihen, dass ich mich frage, was da vor sich ging.«
    »Da Ihr neuerdings so tut, als wärt Ihr Katholik, dürft Ihr von Euren französischen Priestern billige Vergebung erwarten, nicht aber von mir.«
    »Ihr legt eine Selbstgerechtigkeit an den Tag, wie ich sie immer mit aufrechten Männern assoziiert habe, die insgeheim ein großes Unrecht begangen haben – ich will damit nicht behaupten, dass Ihr dunkle Geheimnisse habt, Daniel, nur dass Ihr euch so verhaltet.«
    » Hat dieses

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